Flüchtling bekommt Bescheid: Ausweisung politisch motiviert?
Einer der Protagonisten des Flüchtlingscamps am Oranienplatz soll abgeschoben werden – weil er durch seinen Aufenthalt angeblich die öffentliche Ordnung gefährdet.
Gerade ist Patras Bwansi unterwegs und sehr beschäftigt – auf der Bustour des Flüchtlingscamps am Oranienplatz, die seit Dienstag durch Deutschland zieht. Für den 33-jährigen Bwansi, einen der Hauptorganisatoren des Camps, ist diese Bewegung gerade noch einmal wichtiger geworden: Vor wenigen Tagen bekam er einen Ausweisungsbescheid des Landratsamts Passau, wo er zuletzt lebte. Unverzüglich soll er das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verlassen, erneute Einreise ausgeschlossen.
„Als ich den Brief bekam, wusste ich sofort, dass ich das öffentlich machen muss“, sagt Bwansi. Es gehe hier nicht nur um ihn als Einzelperson, sondern um einen politischen Kampf: „Viele Aktivisten werden zurzeit von den Ausländerbehörden bedroht, aber dagegen wehren wir uns gemeinsam.“ Den Ausweisungsbescheid schätzt er als gezielten Einschüchterungsversuch ein.
„Das Landratsamt ist offenbar sehr gut über Patras’ politische Aktivitäten für Flüchtlingsrechte informiert“, sagt auch Léa Colson aus dem UnterstützerInnenkreis Bwansis. „Die Tatsache, dass er regelmäßig als eine der zentralen Figuren des Protestes in Erscheinung tritt, legt den Verdacht einer politisch motivierten Ausweisung nahe.“
In dem achtseitigen Bescheid wird als Grund für die Ausweisung angegeben, Bwansi gefährde durch seinen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, da er eine vorsätzliche Straftat begangen habe: Nachdem er zuletzt im August ein Protestcamp in Passau organisiert hatte, sei er nach Berlin umgezogen und anschließend „in die Illegalität untergetaucht“. Außerdem wird Bwansi vorgeworfen, sich nicht an der Beschaffung eines neuen Passes beteiligt zu haben.
„Die Argumentation ist rechtswidrig bis zum Gehtnichtmehr“, sagt Petra Haubner, Bwansis Anwältin in Passau. Zu einer Ausweisung wegen begangener Straftaten dürfe es nur kommen, wenn auch tatsächlich Straftaten begangen wurden – gegen Bwansi liegt aber keine Anklage, geschweige denn eine Verurteilung vor. „Der bloße Verdacht einer Behörde reicht hier nicht aus. Solange ihn kein Gericht verurteilt, hat er diese Verstöße nicht begangen“, erläutert Haubner.
Der Anwalt Volker Gerloff, der Bwansi in Berlin berät, teilt diese Einschätzung. Der Vorwurf des Untertauchens sei zudem schlecht begründet, da in dem Brief gleichzeitig von einem „Umzug nach Berlin“ die Rede ist und Bwansi seinen Aufenthalt am Oranienplatz öffentlich in einer Pressekonferenz bekannt gegeben hatte. Auch der Vorwurf, bei der Passbeschaffung nicht geholfen zu haben, erscheint ihm nicht haltbar: „Patras Bwansi hat sich mit gutem Recht geweigert, die Belehrung über die Konsequenzen einer mangelnden Mithilfe zu unterschreiben, da sie ihm nur auf Deutsch vorgelegt und nicht erläutert wurde“, so Gerloff.
Für den Fall einer Klage gegen den Bescheid sagen die Anwälte Patras also gute Chancen voraus. Unklar ist allerdings, ob eine Klage überhaupt zugelassen wird: Da der Bescheid bereits im Dezember öffentlich ausgestellt, also im Amt ausgehängt wurde, ist die einmonatige Klagefrist eigentlich schon abgelaufen – auch wenn Bwansi selbst den Bescheid erst im Februar bei einem Besuch der Passauer Ausländerbehörde ausgehändigt bekam. „Derzeit prüfen wir, ob und wie wir eine Wiedereinsetzung der Frist durchsetzen können“, so Haubner.
Bwansi, der in Uganda geboren wurde, dort Textildesign studierte und sich für die Rechte Homosexueller einsetzte, will sich nicht einschüchtern lassen. „Ich werde mich nicht verstecken. Mein Versteck ist die Öffentlichkeit“, sagt er, gerade auf dem Weg ins Lager Bitterfeld, zu der dritten Station der Bustour.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen