: Vom absoluten Film zu „Blut und Boden“
Vorauseilender Gehorsam oder mehr? Die Nähe des Regisseurs Walther Ruttmann zur Ideologie der Nazis lässt sich jetzt im Metropolis anhand seiner Industrie- und Dokumentarfilme aus der Zeit nach 1933 studieren
Über kaum einen Abschnitt der Filmgeschichte wird derzeit so intensiv geforscht wie über das Kino der NS-Zeit. Gut ist, dass es immer häufiger öffentlich geschieht, wie momentan in der Ringvorlesung „Mediale Mobilmachung: Das Dritte Reich und der Film“ an der Uni Hamburg mitsamt einer begleitenden Filmreihe im Metropolis. Und gut ist auch, dass der Fokus dabei außer auf den Spielfilm nun auch auf alle anderen Filmarten von der Wochenschau bis zum Trickfilm gelegt wird, war die ideologische Indienstnahme des Kinos dort doch besonders stark.
Besonders aufschlussreich und immer noch wenig bekannt ist der Weg, den Walther Ruttmann von 1933 an einschlug. Von Haus aus Maler, hatte sich der 1887 geborene Ruttmann nach seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg dem Film zugewandt. Früh wurde er mit dem geoemetrische Formen und Farben in Bewegung setzenden Lichtspiel Opus I & II zu einem der wichtigsten Vertreter des so genannten absoluten Films. 1927 drehte er dann Berlin, die Sinfonie der Großstadt, der nicht nur die Form der City-Symphonien mitbegründete, sondern bis heute als einer innovativsten Filme des Weimarer Kinos gilt.
Wie es dann dazu kam, dass der aus dem Geist der Neuen Sachlichkeit arbeitende und eher linken Kreisen nahe stehende Ruttmann 1933 in die Reichsfilmkammer eintrat und zu Kriegsbeginn dann Filme mit Titeln wie Deutsche Panzer und Deutsche Waffenschmiede drehte, wird sich wohl nie mehr ganz klären lassen. Fest steht, dass er bereit war, Teile seines Berlin-Films für Blut und Boden, einen Streifen für das Stabsamt des Reichsbauernführers, sinnentstellend umzuschneiden. 1934 arbeitete er an Leni Riefenstahls Parteitagsfilm Triumph des Willens mit, jedoch ohne dass sein als Rahmenhandlung geplanter Beitrag in die Endfassung des Films aufgenommen wurde.
Ruttmanns jetzt zu sehende Industrie- und Dokumentarfilme sind aus heutiger Sicht mehr als interessant. Seine Städteporträts Stuttgart, die Großstadt zwischen Wald und Reben (1935) und Weltstraße See – Welthafen Hamburg (1938) „kehren zurück zur Vermarktung der Stadt als ein touristisches Objekt, als eine Art lebender Postkarte. Die Regression, der Ruttmann mit diesen Filmen anheimfiel, führte ihn zurück zu jener Tradition, die er mit Berlin so nachhaltig gestürzt hatte.“ (William Uricchio).
Deutsche Waffenschmieden und Deutsche Panzer nutzen dann zwar wieder abstraktionistische Gestaltungsmöglichkeiten, stellen diese aber unzweideutig in einen ganz anderen Dienst: „In riesigen Hallen erwuchs uns eine mächtige Waffe: der deutsche Panzer. In unaufhaltsamen Vorwärtsstürmen ...“ Bewusster noch als Leni Riefenstahl hat der 1941 gestorbene Walther Ruttmann sein ästhetisches Können in den Dienst der NS-Ideologie gestellt. Weil sich an seinen späten Filmen mustergültig studieren lässt, wie die formale Ausführung von Kunstwerken zum Element eines ideologischen Diskurses werden kann, sollten sie gesehen werden.
Eckhard Haschen
Mo, 19 Uhr, Metropolis; Di, 18 Uhr, spricht Irmbert Schenk (Uni Bremen) über Ruttmanns Filme 1933–1941 (Von-Melle-Park 6, Phil D)
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