Treitschkestraße: Neue Initiative für Umbenennung
Die SPD in Steglitz-Zehlendorf will sich mit dem Scheitern der Umbenennung nicht abfinden. Auch Verein Mehr Demokratie äußert Kritik.
Die gescheiterte Umbenennung der Treitschkestraße in Berlin-Steglitz sorgt für Unmut. Die SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung will sich mit dem Ergebnis nicht abfinden und kündigte für nächstes Jahr eine neue politische Initiative an. Mit einem Antrag solle dann die Treitschkestraße in Bischof-Kurt-Scharf-Straße umbenannt werden. Auch der Verein Mehr Demokratie e.V. kritisierte am Donnerstag in Berlin das am Vortag bekannt gewordene Ergebnis der Anwohnerbefragung.
Ein Bürgerentscheid im gesamten Stadtbezirk wäre sinnvoller gewesen als die am Mittwoch beendete Anwohnerbefragung, erklärte der Berliner Landesverband des Vereins. Die Frage, ob eine Straße nach einem Antisemiten benannt sei oder nicht, betreffe nicht nur die direkten Anwohnerinnen und Anwohner, sondern habe zugleich eine Außenwirkung und Symbolwert, hieß es zur Begründung. Der Verein betonte, ein Bürgerentscheid könnte von der Bezirksverordnetenversammlung mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Möglich wäre auch ein durch Unterschriftensammlung initiierter Bürgerentscheid.
Vorstandssprecher Michael Efler hält es für denkbar, dass die Anwohner vor allem aus praktischen Gründen gegen die Umbenennung der Straße gestimmt haben. Schließlich sei eine Adressänderung mit einem gewissen Aufwand verbunden. "Gerade deshalb wäre es aber interessant zu erfahren, ob auch ein größerer Kreis von Menschen für die Beibehaltung des Namens Treitschkestraße ist", unterstrich er.
Der SPD-Fraktionschef von Steglitz-Zehlendorf, Norbert Buchta, stellte ähnliche Vermutungen an und zeigte sich am Donnerstag "bestürzt" über den Ausgang der Anwohnerbefragung. Für seine Partei sei es "ein unhaltbarer Zustand", dass ein Antisemit weiterhin Namensgeber dieser Straße ist.
Nach den am Mittwoch veröffentlichten Ergebnissen der Anwohnerbefragung sprachen sich 78 Prozent gegen und nur 22 Prozent für einen neuen Straßennamen aus. Insgesamt beteiligten sich 320 der 428 wahlberechtigten Anwohner der Treitschkestraße an der Abstimmung.
Der Befragung war eine jahrelange kontroverse Debatte vorausgegangen. Der Historiker Heinrich von Treitschke (1834-1896) gilt als Wegbereiter des Antisemitismus im deutschen Bürgertum. Zu seinen Publikationen gehören Schriften wie "Die Juden sind unser Unglück". Seit Jahren setzen sich Anwohner und die evangelische Patmos-Kirchengemeinde für einen neuen Straßennamen ein.
Bereits im Jahr 2000 hatte die angrenzende Gemeinde eine Umbenennung der Straße nach dem einstigen Präses der Bekennenden Kirche und späteren Berliner Bischof Kurt Scharf gefordert. Entsprechende Vorstöße in der Bezirksverordnetenversammlung scheiterten aber am Widerstand der CDU. Scharf hatte in der Patmos-Gemeinde von 1963 bis zu seinem Tod 1990 regelmäßig gepredigt. (epd)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen