Neues Guthabenmodell der Sparkassen: Die Bank für alle Kontolosen
Die Sparkassen erklären, ab Oktober jedem in Deutschland eine eigene Bankverbindung einrichten zu wollen. Verbraucherschützer sind skeptisch.
BERLIN taz | Zum 1. Oktober soll es kommen, das sogenannte Bürgerkonto der Sparkassen. Unabhängig von der Staatsangehörigkeit könne künftig jede in Deutschland ansässige Privatperson ein Konto einrichten, wirbt der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Die Sparkassen haben mit fast 16.000 Filialen das größte Vertriebsnetz in Deutschland. Verbraucherschützer sind jedoch skeptisch, ob damit die unfreiwillige Kontolosigkeit Hunderttausender endet.
In Deutschland gibt es – anders als in EU-Staaten wie Frankreich oder Belgien – keinen Rechtsanspruch auf ein Konto. Die Institute lehnen immer wieder Kunden ab. Auch eine sogenannte Selbstempfehlung aus den 90er Jahren ändert daran nichts. Die EU schätzte 2011, dass bundesweit 670.000 Menschen kontolos sind.
Für Betroffene ist es häufig ein Teufelskreis, sagt Claudia Kurzbuch, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung. „Wer bei einer Bank zum Beispiel einen Kredit nicht zurückzahlt, dem werden in der Regel alle Konten gekündigt.“ Die Folge sei ein negativer Eintrag bei der Schufa, der zur Ablehnung bei der nächsten Bank führe. „Wir hätten uns eine fundiertere Erklärung gewünscht“, sagt auch Jana Brockfeld, Referentin für Schulden und Insolvenz beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
Es gebe weiterhin Lücken: So bleibe der Leistungsumfang unklar, etwa ob Online-Banking möglich sei. Zudem behalten sich die Sparkassen weiterhin vor, Kunden abzulehnen, wenn die Kontoführung „unzumutbar“ sei. „Die Gründe dafür sind nur beispielhaft genannt“, kritisiert Brockfeld. Es sei aber wichtig, klar festzuhalten, wann eine Ablehnung erfolgen darf und wann nicht.
Kosten sind unklar
Unklar bleiben auch die Kosten: Laut Sparkassen soll das Bürgerkonto – ein Guthabenkonto ohne Überziehungsmöglichkeit – nicht mehr kosten als ein „vergleichbares Kontomodell mit Überziehungsmöglichkeit“. Wie viel das in der Praxis sei, konnte eine Sprecherin des DSGV am Freitag nicht einschätzen – das könnten die regionalen Institute selbst entscheiden.
Positiv wertet Brockfeld dagegen, dass die Sparkassen bei Streitigkeiten künftig die Entscheidung einer Schlichtungsstelle als verbindlich anerkennen. Wer hartnäckig nachfrage und sich im Zweifelsfall beschwere, werde vermutlich eine größere Chance haben, zu seinem Konto zu kommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt