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Rechte Hetze nach „Zigeuner-Mordfall“Die Unerwünschten

Ungarns Rechte schürt die Pogromstimmung gegen die rund eine Million Roma im Land. Gábor Vona von der rechten Partei „Jobbik“ will die Todesstrafe wieder einführen.

Gábor Vona bei einer Kundgebung 2011. Bild: rtr

WIEN taz | Als im vergangenen Juli die junge Polizeipsychologin Kata Bándy in Pécs einem Sexualmord zum Opfer fiel, wurde ein Angehöriger der Roma-Minderheit als wahrscheinlicher Täter festgenommen. Sein Foto und Name wurden über die rechten Medien verbreitet. Obwohl die Eltern des Opfers baten, aus dem Fall keine Kollektivschuld abzuleiten, sprach die faschistische Jobbik-Partei schnell vom „Zigeuner-Mordfall“ . Pogromstimmung wurde geschürt. Gábor Vona, Chef von Jobbik, der mit 47 Mandaten und 17 Prozent der Wählerstimmen drittstärkste Partei im Parlament, rief einmal mehr nach der Wiedereinführung der Todesstrafe.

Ähnlich äußerte sich Ungarns einflussreicher Rechtsaußen-Publizist Zsolt Bayer, Fidesz-Mitbegründer und Orbán-Freund: „Wir müssen es aussprechen: Der viehische Mörder war ein Zigeuner. (...) Wenn die Zigeunergemeinschaft diese Mentalität ihrer Rasse nicht ausrottet, dann ist klar: Mit ihnen kann man nicht zusammenleben.“

Mitte August marschierten rechte Milizen in der Stadt Cegléd auf und drangsalierten die an der Peripherie lebenden Roma-Familien. Ethnische Ungarn hatten sie nach einem Diebstahl herbeigerufen. Die von Jobbik vor fünf Jahren gegründete Ungarische Garde, die in schwarzen Uniformen immer wieder durch Roma-Bezirke marschierte und Terror verbreitete, wurde zwar gerichtlich verboten. Doch die Formationen bestehen weiter. Am 25. August durften sie auch wieder am Heldenplatz in Budapest aufmarschieren.

Mit 800.000 bis zu einer Million Angehörigen sind die Roma die größte Minderheit in Ungarn. Ganz wenige haben höhere Bildung, die meisten Kinder werden in Sonderschulen abgeschoben und landen praktisch ohne formale Bildung in der Arbeitslosigkeit. Fabriken, wo viele während der kommunistischen Zeit beschäftigt waren, haben geschlossen oder bauten im Rahmen von Rationalisierungen zuerst die ungelernten Arbeitskräfte ab.

Die meisten Roma leben daher von Sozialhilfe und werden schon deswegen als Schmarotzer geschmäht. Die aggressive Stimmung gegenüber der Minderheit gipfelte in einer Serie von Anschlägen 2008/2009, bei denen sechs Roma von einer rechtsextremen Bande ermordet wurden.

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6 Kommentare

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  • HS
    Hari Seldon

    @hans:

     

    Aus Ihrem Schreiben kann ich entnehmen, dass Sie keine Ahnung vom Problem haben. Bei Ihren "Freunden" nicht um lautstarke Techno-Musik geht, sondern um das Zittern für das nackte Leben, um Raub und Mord, Bedrohungen, usw. Nochmals: Probieren Sie bitte einmal (zusammen mit Ihrer Familie) 6-12 Monate zum Beispiel in einem exponierten Viertel in Budapest. Nach dem Aufenthalt bitte, teilen Sie Ihre Erfahrungen mit der Leserschaft in der TAZ. Mal sehen, was Sie schreiben würden.

  • H
    Hans

    @Hari Seldon

    Ich würde es begrüßen, wenn wir in unserem Haus eine Familie mit Rom-/Romani-/Zigeuner-Hintergrund haben würden. Schlimmer als der "deutsche Prolet" der unter mir wohnt und ständig bis in die Nacht Techno hört und mit seiner Freundin streitet kanns ja nicht mehr werden. ^_^

     

    Es wohnt nicht jeder im Taunus. Und die Bedindlichkeiten der Ungarn sind Nationalismus/Fremdenfeindlichkeit, soziale Ängste, etc.; wie überall sonst, wo es zu solchen "Hexenjagden" kommt.

  • HS
    Hari Seldon

    @hans:

     

    Bitte, dann probieren Sie (zusammen mit Ihrer Familie) ein Mehrfamilienhaus, wo die anderen Bewohner Romas sind. Oder in einem Haus in einem Roma-Viertel (or Strasse in Budapest). Mal sehen, wie lange Sie und Ihre Familie ausharren könnten. Sie könnten auch die Verständigung auf "gewisse Standards" probieren. Mal sehen, wie erfoolgreich Sie sein werden (zu einer Verständigung braucht man gewissermaßen ZWEI Seiten). Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und Glück zum Feldversuch. Und bitte, teilen Sie Ihre 6-12 monatige Erfahrungen mit uns...

  • H
    Hans

    @Hari Seldon

    Es geht hier um das Zusammenleben in einer Gemeinde oder Haus, nicht Wohnung, und ich denke, dass man auch mit Menschen anderer Kulturen gut in einem Haus zusammenleben kann. Man muss sich halt auf "gewisse" Standards verständigen können, aber ich denke, dass mit einem ernst gemeinten Dialog und Integration bzw. Anerkennung der Lebensweisen sowohl die Deutschen, als auch die Ungarn mit den Zigeunern/Roma leben können.

     

    Die Ungarn haben halt durch ihre Geschichte schon deutlich länger mit Zigeunern/Roma zu tun und ihre Ablehnung kultiviert, die auf Jahrzehnten bis Jahrhunderten an Mißverständnissen und sozialen Konflikten fußt. Die Ungarn versuchen aber bzw. deswegen es auch gar nicht mehr mit dem Zusammenleben, sondern grenzen die Unerwünschten nur noch aus. Das dies die Probleme nicht löst ist klar. und das greifen natürlich Rechtsnationalisten mit Freude auf. Ausgrenzung von Zigeunern/Roma hat halt Tradition und es ist traurig zu sehen, dass dies nicht von der EU/UN geahndet wird, wie in Frankreich, so in Ungarn.

  • A
    asd

    ganz schwach den rechten kampfbegriff in die überschrift zu nehmen. auch mit anführungszeichen!

  • HS
    Hari Seldon

    @ralf leonhard: Vielleicht sollten Sie zusammen mit Ihrer Familie mindestens ein Paar Monate lang mit den zitierten Romas zusammenleben. Bin gespannt, wie lange Sie und Ihre Familie ausharren könnte. Ausserdem sollten Sie zum Beispiel in Frankreich ein bisschen Recherche machen, und die Vorgehensweise der französischen und ungarischen Behörden mit den Romas vergleichen, und die Frage beantworten: Wer ist faschistisch und wer nicht. Die TAZ sollte endlich eine Qualit#ätssicherung einführen, und solchen tendenzieusen Hetzern wie der Herr Leonhard keine Mediafläche zur Verfügung stellen.