Protest gegen Veggie-Gerichte an Unis: Nicht schon wieder Linsensalat
Vegetarische Menüs werden an Unis beliebter. Aber in manchen Mensen protestieren Fleischesser – auch mit geschmacklosen Slogans.
![](https://taz.de/picture/196188/14/veggie_dpa_020912.jpg)
BERLIN taz | Wer seine Mittagspause in der Mensa FU I verbringt, hat die Auswahl: Linsensalat mit Ananas und Minze oder Meerrettichcremesuppe, Tessiner Pilzrisotto oder Eierpfannkuchen mit Apfel-Rosinen-Kompott, Obstsalat mit Sahnehaube oder Pflaumenquark. Nur Steak und Schnitzel sucht man hier vergeblich. Auf dem Campus der Freien Universität Berlin steht seit Anfang 2010 die erste vegetarische Mensa Deutschlands.
Auch in seinen anderen Mensen ist das Berliner Studentenwerk ausgesprochen vegetarisch: 70 Prozent der angebotenen Speisen sind fleischlos. Doch es regt sich Widerstand gegen die vermeintliche „Bevormundung durch die Pflanzenfresser“: Eine Gruppe namens „Liste gegen die Veggie-Mensa“ hat es mit Slogans wie „Fresst eure Körner doch alleine“ sogar ins Studierendenparlament geschafft. Schon zum zweiten Mal.
Auf dem Wahlplakat der Gruppe sind Jesus, Willy Brandt, Nelson Mandela und der Vegetarier Adolf Hitler zu sehen, darüber der Satz: „Finde den Vegetarier!“ Das Veggie-Angebot sei zu teuer und würde nicht satt machen, die Mensa sei im Zuge des Umbaus unnötig verkleinert worden, der Weg zu einer Alternativeinrichtung sei zu lang, protestiert die Gruppe.
Berlin
Hier gibt es die erste vegetarische Mensa Deutschlands. Zudem sind 70 % aller Gerichte fleischlos. Täglich ein „Klimaessen“ aus veganen Zutaten. Besondere Kennzeichnung der Gerichte.
München
„Grüne Speise Linie“: Täglich ein fleischloses Gericht zum Festpreis von einem Euro, viermal in der Woche ist dieses vegan. 50 % aller Gerichte ohne Fleisch.
Leipzig
Regelmäßig „Veggie-Days“. Mindestens ein vegetarisches Gericht pro Tag an allen Mensen. Angebot für Veganer.
Hamburg
Vegetarier können an den großen Mensen zwischen drei Alternativen wählen. Kennzeichnung veganer Angebote. „Klimateller“: Essen aus emissionsarmer Erzeugung.
Freiburg
Mindestens einmal im Semester „Veggie-Day“, dieser soll ausgebaut werden. 50 % der Gerichte fleischlos. Kennzeichnung veganer Angebote.
Hannover
Alle Beilagen vegetarisch. 50 % der Hauptgerichte ohne Fleisch.
Frankfurt / Oder
Ein Drittel aller Gerichte vegetarisch. „Runder Tisch“ mit Probekochen, Probieren und Disskussionen zur Zukunft des Speiseplans.
Solche Konflikte ums Essen an den Hochschulen sind nicht ungewöhnlich: Schließlich finden sich gerade unter jungen, formal hochgebildeten Menschen überdurchschnittlich viele Vegetarier. Das zeigt eine Studie der Uni Jena. Die Studentenwerke haben darauf reagiert.
Laut dem Dachverband deutscher Studentenwerke gibt es in nahezu jeder Mensa ein vegetarisches Gericht, oft sogar mehrere. In Hannover werden genauso viele vegetarische wie fleischhaltige Gerichte angeboten. In Köln kommt sogar täglich ein veganes Gericht auf den Tisch. In München gibt es die „Grüne Linie“. Das sind vegetarische oder vegane Gerichte zum Festpreis von einem Euro, deren Zutaten vorwiegend aus regionaler Produktion stammen.
Einige Studentenwerke gehen weiter und veranstalten einmal im Semester „Veggie-Days“, komplett fleischlose Tage. „Es gibt kein Grundrecht auf Schnitzel“, sagt Stefan Grob, Sprecher des Deutschen Studentenwerks, der das Werben der Mensen um mehr Vegetarismus ausdrücklich unterstützt. „Einmal im Semester auf Fleisch zu verzichten, kann nicht zu viel verlangt sein.“
Die Widerständler schwächeln
Das sehen einige Fleischverzehrer unter den Studenten anders. Auch in Leipzig hatte sich die Lage Ende 2010 zugespitzt. Studenten hatten dort vor der Mensa Protest-Würstchen gegrillt und eine Petition gegen die Fleischlosigkeit gestartet. Doch so richtig erfolgreich waren die Widerständler nicht. Die Leipziger Petition wurde 75-mal unterzeichnet, ein spontan aufgesetztes Gegenpapier konnte viel mehr Unterstützer gewinnen.
In Freiburg, wo es ebenfalls einen solchen vegetarischen Tag gibt, sind inzwischen auch die Fleischesser auf den Geschmack gekommen. Am Anfang seien die Gästezahlen zum „Veggie-Day“ eingebrochen, sagt Renate Heyberger vom Freiburger Studentenwerk, die Fleischesser gingen offenbar statt in die Mensa zur Döner-Bude. Inzwischen kommen aber auch immer mehr von ihnen, um die vegetarischen Gerichte auszuprobieren.
Auch die „Liste gegen die Veggie-Mensa“ an der FU Berlin verliert Unterstützer. Bei der letzen Wahl zum Studierendenparlament konnten die Anti-Vegetarier nur noch etwa halb so viele Stimmen verbuchen wie noch im Jahr davor.
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