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lab 2017

taz.lab 2017 – Die drei Fragen (V) Bildung zur Mündigkeit endet nie

Bis zum taz.lab am 29. April stellen wir Ihnen jede Woche unsere Pat*innen vor. Heute: Helmut Däuble.

Helmut Däuble Bild: privat

taz: Wie kann man Demokratie fördern? 

Helmut Däuble: Demokratie lässt sich auf tausendundeine Weise fördern. Zentral scheint mir zu sein, dass wir Bedingungen schaffen, damit Menschen mündiger werden können. Nach Kant müssen sie lernen, sich ihres „Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“.

Das bedeutet, dass Menschen geschult werden und sich selbst schulen müssen, vor allgegenwärtigen Formen der Indoktrination kritisch auf der Hut zu sein, und dass sie begreifen, Demokratie nie als etwas Fertiges zu denken, sondern immer als etwas Anzustrebendes – also immer als etwas Defizitäres – und auch als etwas stets Gefährdetes.

Adornos These, dass eine „verwirklichte Demokratie nur als Gesellschaft von Mündigen“ vorstellbar ist, stimme ich zu. Sie macht deutlich, dass Demokratieförderung eine dauerhafte Sisyphusarbeit ist: Bildung zur Mündigkeit endet nie – und kann scheitern.

Wie löst man die ewige Neid­debatte in Deutschland auf?

Als Erstes sollte man sich gegen den Vorwurf wehren, es handele sich um eine Neiddebatte. Wem man Neid nachsagt, dem wirft man vor, missgünstig zu sein und einer anderen Person oder Gruppe etwas nicht zu gönnen. Es ist der abwertende Blick von oben nach unten.

Doch hat es mit Neid nichts zu tun, wenn man es für inakzeptabel hält, dass beispielsweise die Vermögensverteilung sich immer weiter polarisiert, dass Managergehälter in nahezu beliebige Höhe springen oder dass wohlhabende Menschen etwa zehn Jahre länger leben als arme.

Das hat mit dem Grundverständnis zu tun, dass zu weitreichende materielle Ungleichheiten einen demokratiegefährdenden Charakter haben. Der Begriff „Neiddebatte“ sollte also strikt durch Gleichheits- oder Verteilungsdebatte ersetzt werden.

Was bedeutet meinland für Sie?

Meinland ist ein wunderbares taz-Projekt. „Raus aufs – beziehungsweise ins – Land zu gehen“, mit Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen darüber, wie eine offene und liberale Gesellschaft zu erreichen, genauer gesagt: zu verteidigen ist, tut gerade in diesen Zeiten dringend not. Dass dies aber für einen guten Journalismus in Demokratien das Allernormalste zu allen Zeiten sein und nicht nur Projektcharakter in Wahljahren haben sollte, ist eine andere Geschichte.

Die Fragen stellte Mareike Barmeyer, Redakteurin des taz.lab.