taz.lab 2014 ist rauflustig : Die Lust am Kämpfen
Boxen im Ring oder Mixed Martial Arts im Käfig - zur unterschiedlichen Popularität von Kampfsport in Europa
Keine Sportart bringt so viel Raum für echtes Drama wie Kampfsport. Im Ring oder Käfig geht es, zwar streng choreografiert und durch Regeln eingehegt, doch immer um alles - um Sieg oder Niederlage, Triumph oder Demütigung. War es früher ausschließlich das Boxen, das etwa SchriftstellerInnen wie Norman Mailer oder Joyce Carol Oates zu nachdenklichen, gleichwohl hochleidenschaftlichen Essays über diese letzte Bastion nahezu urwüchsiger körperlicher Auseinandersetzung inspirierte, so drängt seit einigen Jahren Mixed Martial Arts auf die Bühne. Jedenfalls in anderen Ländern.
In Deutschland ist Boxen der einzige Kampfsport, der ein bisschen Aufmerksamkeit in den Medien bekommt - doch die großen Zeiten nach dem Henry-Maske-Boom, als ARD und ZDF regelmäßig Kampfabende übertrugen sind vorbei. Mixed Martial Arts - Veranstaltungen wachsen und werden immer beliebter, der Sport kämft aber mit öffentlicher Ächtung, wiederkehrender Verbotsforderungen und Ausstrahlungsverbot im Fernsehen.
Das ist bei den Nachbarn ganz anders: Die Kampfabende der KSW in Polen werden im Fernsehen übertragen, und in Großbritannien finden MMA - Veranstaltungen große Aufmerksamkeit. Der russische MMA - Kämpfer Fedor Emilianenko wurde auch schon im Ring von Präsident Putin bejubelt und jetzt, nach seinem Rücktritt vom aktiven Sport, durfte er die olympische Fackel eine Etappe auf dem Weg nach Sotschi tragen.
In Norwegen hingegen ist sogar Profiboxen verboten, in Frankreich darf keine einzige MMA - Veranstaltung stattfinden. Was haben all diese Unterschiede mit dem jeweiligen Gesellschaften zu tun? Wie erklären sich Beobachter und Aktive die seltsam ungleichzeitigen Entwicklungen? Gibt er einen Zusammenhang zwischen einer sportlichen Kultur des Kämpfens und dem Bildungsstand? Und: Braucht eine Gesellschaft eigentlich Kampfsport?
BERND PICKERT
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