: Brachialkapitalismus vor Gericht
Das Schenefelder Bauunternehmen Max Hoffmann soll Tarifrecht gebrochen und Betriebsräte rechtswidrig entlassen haben. Von „Brachialkapitalismus“ spricht da sogar ein Anwalt
VON OLAF HARNING UND MARCO CARINI
Es ist eines der bekanntesten Bauunternehmen im Hamburger Speckgürtel. Das 1908 gegründete Schenefelder Bauunternehmen Max Hoffmann hat allein in der Hansestadt in den vergangenen Jahren mehr als 50.000 Wohnungen errichtet, den Hamburger Fischmarkt bebaut und die Eppendorfer Falkenried-Terrassen modernisiert. Rechtzeitig zum 80-jährigen Firmenjubiläum steht dem Bauriesen, der etwa 165 Mitarbeiter beschäftigt, nun Ärger ins Haus. Wegen möglicherweise rechtswidriger Lohnsenkungen und dem Herauskanten zweier Betriebsräte ist das Unternehmen, dessen Jahresumsatz um 20 Millionen Euro pendelt, in zahlreiche Prozesse verstrickt.
Die Geschichte beginnt im Herbst 2005. Um bei schlechter Auftragslage Kosten zu sparen, schickt die Unternehmensleitung den meisten der damals fast 200 Beschäftigten eine „Arbeitsvertrags-Änderung“, in der sie sich bereit erklären sollen, künftig auf Basis des Mindestlohns zu arbeiten. Durchschnittlicher Verlust pro Kopf: Ungefähr 400 Euro brutto monatlich. Nach der Drohung, die Firma andernfalls zu schließen, willigt ein Großteil der Betroffenen ein. Als die Betriebsräte Alfred Threimer und Roland Karp sich gegen die Lohnsenkungen wehren, werden sie kurzerhand abserviert.
Im Januar 2006 schließt das Unternehmen die fünfköpfige Kranführerabteilung, der „zufällig“ auch Threimer angehört. Der Betriebsrat wird entlassen, obwohl Max Hoffmann noch während seiner Kündigungsfrist neue Beschäftigte und kurz nach der Threimers Entlassung auch wieder Kranführer einstellt.
Auf Roland Karp setzt die Geschäftsführung einen Detektiv an, der ihn schließlich einiger Verstöße gegen den Arbeitsvertrag bezichtigt. Die Folge: Auch Karp wird fristlos gekündigt.
Die Lohnsenkungen und der Rauswurf der Betriebsräte beschäftigen bis heute die Juristen. Während die meisten Hoffmann-Mitarbeiter die Lohnsenkungen zähneknirschend akzeptierten, klagen noch etwa 10 Beschäftigte gegen die Kürzungen. Doch „selbst wenn das Unternehmen verdonnert wird, die ausstehende Differenz zwischen Tarif- und Mindestlohn zu zahlen, erfolgt zwar die Anweisung des ausstehenden Betrages, ab dem folgenden Monat aber gibt es wieder Mindestlohn“ berichtet einer der Kläger. Die Folge: Vor dem Arbeitsgericht Elmshorn, dem Landesarbeitsgericht Kiel und sogar vor dem Bundesarbeitsgericht Erfurt stapeln sich die Klagen.
Klaus Müller-Knapp, Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht, sagt: „Wir erleben hier Brachialkapitalismus. Erst wurden die Beschäftigten mit der drohenden Arbeitslosigkeit in Angst versetzt. Wer danach noch Widerstand leistete, wurde systematisch ausgegrenzt“. Die Lohnsenkungen hält Müller-Knapp für „rechtswidrig“, da sie einen klaren Verstoß gegen das geltende Tarifrecht darstellen würden.
Auch die Kündigung der Betriebsräte beschäftigt bis heute die Gerichte. Für ihren Ende 2006 verstorbenen Mann zog Heike Threimer vor Gericht und gewann im September 2007 das posthume Kündigungsschutzverfahren. Doch der ausstehende Lohn wurde von Hoffmann trotz des eindeutigen Urteils monatelang nicht überwiesen.
Erst im Januar dieses Jahres, fast eineinhalb Jahre nach dem Tod ihres Mannes, überwies das Unternehmen im Januar einen Teil der streitigen Tarifleistungen an die Witwe, doch weigert sich Hoffmann nach wie vor, das tarifäre Sterbegeld auszuzahlen. „Das muss wohl schlussendlich bis vor dem Bundesarbeitsgericht eingeklagt werden“, sagt Threimers Anwalt Christian Lewek. Für Heike Threimer ist der Rechtsstreit mit Hoffmann mittlerweile eine Herzensangelegenheit: „Es geht mir nicht um den Lohn. Ich will vor allem den Kampf meines Mannes weiterführen. Die sollen damit nicht durchkommen.“
Für Hoffmann-Geschäftsführer Christian Roggenbuck hingegen ist der Konflikt inzwischen vom Tisch. Im Fall Threimer hätte die ausstehende Lohnsumme erst berechnet werden müssen und sei „unverzüglich ausgekehrt“ worden. Zudem seien inzwischen „fast 95 Prozent der Beschäftigten mit unserer Mindestlohnregel einverstanden“, man habe „erst kürzlich Mitarbeiter eingestellt“. Roggenbuck wörtlich: „So schlimm kann es also kaum sein, bei uns zu arbeiten.“
Beim Norddeutschen Baugewerbeverband in Hamburg wird Max Hoffmann inzwischen als „OT-Mitglied“ geführt, als Verbandsmitglied „ohne Tarifbindung“. Auch dessen für „Recht und Tarife“ zuständiger Mitarbeiter, der Rechtsanwalt Jan Beutel hat keine Probleme mit den Praktiken des Baukonzerns. So sei es in der Branche nicht einmal „unüblich“, dass Detekteien beauftragt werden, um Betriebsräte zu beobachten.