Demo-Tipps vom Fraktionschef

Teile der SPD-Fraktionsspitze unterstützen eine Demonstration für den Erhalt der Gymnasien ab Klasse 5. Beobachter sehen darin eine Provokation der parteiinternen Anhänger einer Schule für alle

Kritiker sprechen von einem neuen Schulterschluss mit der Gymnasialklientel

VON KAIJA KUTTER

Manchmal stimmen Klischees: BMWs und Porsches standen am Mittwochabend vor dem Gebäude der Bucerius Law School, als sich drinnen rund 100 Primarschul-Gegner zu einem Treffen namens „Netzwerk 22“ versammelten. Wichtigstes Thema: die erste große Demo, die am kommenden Samstag vom Gänsemarkt aus zum Rathaus führen soll. Als Redner, so hört man in der Pause, haben sich neben Schauspieler Sky Dumont und einem Eltern-, Schüler- sowie Lehrersprecher noch vier Politiker als Überraschungsgäste angemeldet. „Es wird jemand von der SPD sprechen“, verrät Walter Scheuerl von der Volksinitiative „Wir wollen lernen“.

In der Tat: Der SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Neumann, die Fraktionsgeschäftsführerin Britta Ernst und der schulpolitische Sprecher Ties Rabe wurden gefragt, ob sie bei der Demo reden würden. Einzelne Abgeordnete wie der SPD-Schulpolitiker Gerhard Lein waren dagegen. Nach internen Beratungen hieß es dann, Britta Ernst werde ein Grußwort sprechen.

Aber auch Neumann wird auf der Demo mitlaufen. Er habe sich bereits mit zwei Frauen aus der Demo-Vorbereitungs-AG getroffen, sagt er der taz: „Ich habe ihnen gesagt, wie man so was machen könnte.“ Neumann zufolge ging es um praktische Tipps, die die überwiegend aus Frauen bestehende AG sammelt: Sprühfarbe halte auf Transparenten nicht so gut wie feste Farbe, wird es später auf dem Netzwerk-Treffen heißen. Gut wirke es, Kinder als „Sandwich“ mit Plakaten laufen zu lassen – man wolle die Grünen mit ihren eigenen Methoden schlagen.

Dem „Netzwerk 22“ gehören zahlreiche Anwälte und PR-Spezialisten an. Sie betreiben mittlerweile sechs Homepages und führen den Kampf gegen die Schulreform auf vielen Ebenen. Es gibt eine AG zur Bearbeitung lokaler Abgeordneter, eine für Handzettel und Plakate, eine für T-Shirts, eine für Info-Abende in Schulen und Kitas. Sogar ein Brief an Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) und ein Buch gegen die Reform sind in Planung. Taxi-Fahrer sollen mit Flyern ausgestattet werden, in Arzt-Praxen sollen Mappen gegen die Reform ausliegen.

Zentrale Forderung: Erhalt der Gymnasien ab Klasse 5 und des so genannten Elternwahlrechts. Durch die sechsjährige Primarschule würden Kinder „länger in ihren Stadtteilen festgehalten!“, heißt es in dem Demo-Aufruf. Eltern würden entmündigt, nur noch „30 Prozent der Kinder dürfen aufs Gymnasium“. Letzteres allerdings ist eine nicht belegte Behauptung: GAL-Schulsentorin Christa Goetsch hat öffentlich erklärt, dass es weder eine solche Quote geben soll noch eine höhere Hürde als bisher fürs Gymnasium. Auch im Schulgesetzentwurf ist kein solcher Passus enthalten.

Wenn nun die Spitze der Fraktion diese Demo unterstützt – der Termin wurde immerhin mit dem SPD-Schul-Newsletter verschickt – sehen Kritiker darin einen neuen Schulterschluss mit der Gymnasialklientel. „Wenn sich die SPD-Bürgerschaftsfraktion nun auch öffentlich an die Seite der Schulreformgegner stellt, dann verabschiedet sie sich endgültig vom Ziel einer Schule für alle“, sagt Sabine Boeddinghaus, die vor einem halben Jahr die SPD verließ; heute ist sie Sprecherin der Volksinitiative „Eine Schule für alle“.

Rosie Raab, die Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft Bildung, stört sich indes am erwähnten Demo-Aufruf: „Die Initiative wirbt für die Demonstration wider besseres Wissen mit ausschließlich unwahren beziehungsweise nicht belegten Aussagen“, sagt die frühere Schulsenatorin. „Eine Partei, die für sich in Anspruch nimmt, glaubwürdig zu sein, kann eine solche Initiative nicht unterstützen.“