: Vom Elend der Gelben Säcke
Viele Bremer haben für 2008 noch keine Gelben Säcke bekommen, und Verteilstellen gibt es bisher nur wenige – weil die neue Vertrags-Firma Nehlsen will, dass die Kioske umsonst für sie arbeiten
Von Klaus Wolschner
Wer in diesen Tagen einen neuen „Gelben Sack“ braucht für seinen Plastikmüll, hat ein Problem. Die Firma Nehlsen, seit dem 1. Januar 2008 zuständig für die Abholung des Plastikmülls, wollte bis zu diesem Tag an alle Haushalte zwei neue Rollen mit jeweils 10 neuen Gelben Säcken und Gutschein-Karten verteilen. Und zwar neue, stabilere Säcke. Davon kann aber keine Rede sein: In vielen Straßenzügen wurden die alten Säcke verteilt, in vielen aber auch gar nichts. Einen genauen Überblick hat Nehlsen nicht, die Verteilung wurde an den Bremer Anzeiger übertragen. Wer die Hotline-Nummer 0800-479 26 71 wählt, erlebt ein typisches Call-Center-Syndrom: Musik mit der furchtbar netten Bitte um Geduld, nach zwei Minuten die Ansage „Im Moment dauert es leider etwas länger“ und dann geht es ganz schnell – piep, piep, piep. Abgehängt.
Wer einen Internetzugang besitzt und die schöne Adresse „www.gelb-kommt-an.de“ kennt, der findet heute noch die kühne Aussage: „Der neue Gelbe Sack wird vor dem 1. Januar 2008 kostenlos an alle Haushalte in der Stadt Bremen.“ Punkt. Gemeint ist wahrscheinlich: „ausgeteilt“. Statistisch produziere der Deutsche pro Kopf 35 Kilo Müll mit dem grünen Punkt, macht 13 Säcke pro Nase. Weil die Nasen-genaue Verteilung der Gelben Säcke aber schwierig wäre, hätten pro Klingelschild zwei Rollen mit dem Bremer Anzeiger in den Briefkasten gesteckt werden müssen plus zwei Gutscheine für die Verteilstellen. Also 40! Glück für Singles, Pech für alle, die sich mit anderen ein Klingelschild teilen wie beispielsweise Wohngemeinschaften.
Verteilstellen? Laut Vertrag mit der Stadt muss Nehlsen dafür Sorge tragen, dass an 113 Stellen in der Stadt Bremen die Gelben Säcke wohnortnah zu haben sind – zusätzlich zu den Recyclinghöfen. Wer wie gewohnt zu seinem Tabakladen geht, erfährt meist: Hier gibt es keine Gelben Säcke mehr. Um die Verteilstellen herauszufinden, muss man die Hotline anrufen oder Internet haben, da steht die Liste unter „gelb-kommt-an.de“. 113 sind da nie und nimmer aufgelistet. Für die Postleitzahl „28195“, also die City, stehen da gerade zwei. Die eine ist „Parkhaus Mitte, Ansgaritor“. Wo bitteschön im Parkhaus? Ein Anruf im Parkhaus ergibt die klare Ansage: „Bei uns in der Garage schon gar nicht.“ Meinte Nehlsen vielleicht das Parkhaus Mitte in der Lloyd-Passage? Die netten „Bremer Bringer“, die im Bedarfsfalle Taschen zum Auto tragen, sagen: „Das ist angedacht. Aber konkret ist da nichts.“
Die zweite City-Adresse ist der Kopierladen „Magic Print“ in der Kahlenstraße. Für die Kenner der Kahlenstraße kein Problem. „Gelbe Säcke? Ja, das soll sein, aber wir haben noch keine bekommen“, sagt der freundliche Mann hinter dem Tresen.
Für das Chaos gibt es einen schlichten Grund: Die Entsorgung der gelben Säcke ist ab 1. Januar auf die Firma Nehlsen übergegangen. Die soll zwar im Verlaufe des Jahres den alten Entsorger „ENO“ schlucken, aber es soll offenbar nicht alles beim bewährten Alten bleiben. 18 Millionen Gelbe Säcke hatte die ENO verteilt, acht Millionen müssten ausreichen – da wurde Sparpotential gesehen.
Und sparen will Nehlsen auch bei der Verteilung: Während die Lotto-Kioske im alten Jahr pro Monat 50 Euro für den Aufwand mit den Gelben Säcken bekamen, bietet Nehlsen für das neue Jahr einen Vertrag an, in dem zum Thema Vergütung nur schlicht steht, die Anlieferung der Gelben Säcke sei kostenlos. Geld soll es nicht geben. Umsonst arbeiten wollen die meisten Kiosk-Betreiber aber nicht, und zu der Frage, wer dafür haftet, wenn am Ende weniger Karten da sind als Gelbe Säcke ausgeteilt, steht im Vertragsangebot auch nichts. „Eine Unverschämtheit“ sei dieses Angebot, sagt der Vorsitzende des Fachverbandes der Lotto-Kioske, Harry Bollmann, „das machen wir nicht mit.“ Und setzt darauf, dass Nehlsen nicht 113 Geschäfte findet, die umsonst für Nehlsen arbeiten.
Zum Glück gibt es die neuen Säcke noch nicht, die alten lassen sich also problemlos weiter nutzen. Glück also für die, die 2007 mehr Säcke gebunkert haben als sie benötigten. Auf der Internetseite „gelb-kommt-an.de“ kann man übrigens auch „Wertgutscheine“ postalisch bestellen. Dann muss man nur noch warten und eine Verteilstelle suchen.