: Der Prinz und die Vertriebenen
Bremens Ostpreußen sind ein liberales Völkchen. Statt auf aggressive Rhetorik setzen sie auf Kultur
Ambitionierte Konzerte im Bremen-Norder „Kito“ sind nichts Ungewöhnliches. Aber Kompositionen von Louis Ferdinand v. Preußen? Deren Aufführung in Kooperation mit der Landsmannschaft Ostpreußen veranstaltet wird? Da wittert man doch mindestens musikalischen Revanchismus, zumal, wenn man sich des unseligen Auftritts von Ulrich Nölle Mitte der 90er vor der Landsmannschaft erinnert.
Der damalige CDU-Bürgermeisterkandidat hatte der mehr oder weniger kostenlosen Rückgabe der „angestammten Höfe an rückkehrwillige Deutsche“ das Wort geredet. Tenor: Nur an deren Wesen könne der Osten (wirtschaftlich) genesen. Zeit also für ein Update: Welche Töne dominieren die Landsmannschaft heute?
Zunächst ist festzustellen, dass der Prinz kein Urheber preußischer Märsche ist, sondern sich auf gefühlvolle Kammermusik konzentriert hat. Wie das Streichertrio in Es-Dur, das vom Berliner „Trio Margaux“ morgen Abend im Kito gespielt wird, zusammen mit einem weithin unbekannten Werk von E. T .A. Hoffmann. Hoffmann stammt aus Königsberg, das macht ihn für die Landsmannschaft zum Vertreter einer „Preußischen Romantik“. Diese Art anspruchsvoller Kulturpflege ist mittlerweile typisch für den stadtbremischen Verband.
Ebenso kennzeichnend ist, dass dessen Vorsitzender keine familiären Wurzeln jenseits von Oder und Neiße hat. „Mich begeistert die ostpreußische Kultur“, sagt Heinrich Lohmann. Und die politischen Positionen der Vertriebenen-Verbände? Mit dem Bundessprecher der Ostpreußen sei er „in fast allen Fragen über Kreuz“, sagt Lohmann. Und, sicher: „Wenn ich früher mit meinem ‚Atomkraft – nein danke‘-Button hereinkam, wurde ich schon komisch angeguckt.“
Lohmann, der bei der Bremer Staatsanwaltschaft arbeitet, steht zweifellos für eine neue Generation des auf 260 Mitglieder geschrumpften stadtbremischen Verbandes – etwa hundert mal so viele Ostpreußen hatte es durch den Krieg nach Bremen verschlagen. Rechnet man die hiesigen organisierten Ostvertriebenen jeglicher Provenienz zusammen, kommt man auf rund 2.000, doch die Ostpreußen haben sich am stärksten geöffnet. Wie verschafft man zum Beispiel einem Vortrag über die Vogelwarte Rossiten auf der kurischen Nehrung Publikum? In dem man sich mit dem „Bund“ zusammentut. Bleibt abzuwarten, wen der Preußenprinz anlockt. HB