: Homosexuelle pro Aufklärung
Lesben- und Schwulenverband wirbt für Nein beim Pro-Reli-Volksentscheid. Nur „Ethik“ gewährleiste Aufklärung über Homosexualität an Schulen
In erster Linie geht es beim Volksentscheid „Pro Reli“ am 26. April darum, ob künftig Schüler künftig Religion als Pflichtfach wählen dürfen. Doch wenn Glaubensfragen verstärkt auf der Unterrichtsagenda stehen, drohen andere Themen herunterzufallen. Etwa der Umgang mit Homosexualität. Das fürchtet zumindest der Lesben- und Schwulenverband (LSVD). Er ruft daher dazu auf, beim Volksentscheid mit Nein zu stimmen.
„Die Aufklärungsveranstaltungen zu Homosexualität finden zu 90 Prozent im Ethikunterricht statt“, sagt Alexander Zinn, Sprecher des LSVD. Deswegen sei es wichtig, dass alle Schüler daran teilnehmen. Der Ethikunterricht biete eine Chance, über Homophobie zu reden und eigene Vorurteile zu reflektieren. Diese betrachtet der LSVD nun als gefährdet.
Guido Mayos von der AG Schwule Lehrer in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kann sich Zinns Befürchtungen nur anschließen. Bisher seien schwullesbische Lebensweisen laut Berliner Lehrplänen nur in Biologie und Ethik Pflichtthema. In anderen Fächern wie Deutsch oder Fremdsprachen könne der Lehrer selbst entscheiden, ob er es anspricht. „Wir wollen, dass das Thema Homosexualität verstärkt auch in andere Fächer und in die Lehrbücher integriert wird“, sagt Mayos.
Der Senat weist diese Argumentation zurück. Auch ohne Ethik bleibe die Erziehung zur Toleranz gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebensweisen im Unterricht gewährleistet. „Respekt gegenüber Minderheiten ist in den Lehrplänen als allgemeines Erziehungsprinzip für alle Fächer verankert“, sagt Elke Dragendorf von der Bildungsverwaltung. Die einzelnen Minderheiten würden zwar oft explizit erwähnt werden wollen. „Aber wir können nicht eine davon herausgreifen und die Lehrer dazu verdonnern, darüber eine Unterrichtseinheit zu machen“, sagt Dragendorf.
Um den Wegfall von Ethik als Pflichtfach zu verhindern, unterstützt der Lesben- und Schwulenverband die Initiative „Pro Ethik“. Plakate und Infostände, die zu einem Nein zur Abwahlmöglichkeit des Faches Ethik auffordern, könne man in beliebten Treffs der schwullesbischen Szene finden, sagt LSVD-Sprecher Zinn. „Wir wollen damit Lesben und Schwulen zeigen, dass sie das Volksbegehren angeht.“
Eike Letocha, Sprecher des Berliner Arbeitskreises der Lesben und Schwulen in der CDU (LSU), ist von der Kampagne nicht begeistert. Es störe ihn, dass die Initiative „Pro Ethik“ die Wahlpflicht zwischen Ethik und Religion als „Wahlzwang“ bezeichnet. Das sei ein „merkwürdiges Freiheitsverständnis“. Er spricht sich aber ebenfalls dafür aus, dass das Thema Homosexualität auf andere Unterrichtsfächer ausgeweitet und dort vertieft wird. Dass die Stellung der Kirchen zur Homosexualität im Religionsunterricht eine wesentliche Rolle spielen würde, befürchtet Letocha nicht. „Ich habe selbst katholischen Religionsunterricht besucht und wir haben nie darüber geredet“, berichtet er. Das, vermutet Letocha, werde die gängige Praxis sein.
Guido Mayos von der GEW-Arbeitsgemeinschaft Schwule Lehrer bestätigt, dass das Thema Homosexualität im Religionsunterricht eine marginale Rolle spielt. Trotzdem könne es natürlich angesprochen werden. „Und dann kann man davon ausgehen, dass die Stellung der Kirchen wiedergegeben wird“, meint er und betont, dass die katholische Kirche, Teile der evangelischen Kirche und islamische Glaubensgemeinschaften Homosexualität als Sünde betrachten.
ADÉLA JUREČKOVÁ