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Archiv-Artikel

KOPFPAUSCHALEN LÖSEN FINANZPROBLEME BEI PFLEGEVERSICHERUNG NICHT Weder gerecht noch sinnvoll

Man mag sie noch so schelten, einen Riesenvorteil hat die Pflegeversicherung gebracht: Pflegefall zu sein, ist seit 12 Jahren kein privates Pech mehr. Wer im Alter oder durch einen Unfall pflegebedürftig wird, hat Anspruch auf staatliche Leistungen, und die werden von der Gemeinschaft bezahlt. Im Wesentlichen sind es die Arbeitnehmer, die monatlich ihren Beitrag an die Pflegekassen entrichten. Durchgeboxt wurde die Pflegeversicherung von einem CDUler, vom damaligen Gesundheitsminister Norbert Blüm.

Nun will seine eigene Partei diesen Fortschritt teilweise rückgängig machen. Die Union will eine Kopfpauschale einführen von anfangs sechs Euro pro Monat. So soll jeder seinen privaten Kapitalstock ansparen und kommende Beitragszahler vor Abgabenerhöhungen bewahren. Generationengerecht nennen die Unionsparteien diesen Vorschlag, aber mit Gerechtigkeit hat er nichts zu tun. Zum einen ist es schreiend ungerecht, jemanden mit einem Monatssalär von 6.000 Euro und einen Rentner, der von 600 Euro lebt, pro forma gleichzustellen. Zweitens löst diese Kopfpauschale kein einziges Finanzierungsproblem. Weder erhöht sich dadurch die Zahl derer, die Geld in die Pflegekassen einzahlen, noch schrumpft die Gruppe der Hochbetagten, die das Risiko haben, pflegebedürftig zu werden.

Eine Pflegereform, die nachhaltig und gerecht sein soll, muss deshalb zwei Ansätze beinhalten: die Menschen fit zu machen fürs höhere Alter und Belastungen gerechter zu verteilen. Wenn Krankenkassen verstärkt Sturztraining, Schongymnastik und Seniorensport anbieten, wird das Geld der Beitragszahler billiger und besser investiert, als wenn der alte Mensch nach einem Oberschenkelhalsbruch rund um die Uhr betreut werden muss. Dazu müssen Kranken- und Pflegekassen besser verzahnt werden. Die Kosten der Pflege sollten zudem von allen Mitgliedern der Gesellschaft gleichberechtigt getragen werden, das heißt, die privaten Pflegekassen dürfen nicht als besondere Schutzzonen erhalten bleiben. Die gesetzlich Versicherten tragen die Kosten für 95 Prozent der Pflegebedürftigen. Mehr Gerechtigkeit heißt in diesem Fall also auch mehr Solidarität. ANNA LEHMANN