: China lässt den Dollar nicht fallen
China hortet den größten Schatz der Welt – Devisenreserven im Wert von 1.000 Milliarden Dollar. Premier Wen Jiabo versichert, mit dieser Geldmacht behutsam umzugehen. Theoretisch könnte das Land eine Weltwirtschaftskrise auslösen
AUS PEKING GEORG BLUME
Keine starken Worte, keine schrillen Anklagen. Wen Jiabaos Stil war zurückhaltender denn je. Chinas Premier tat gestern alles, um der Welt zu zeigen, dass sein Land keine Bedrohung ist. Er sprach zum Abschluss des zehntägigen Nationalen Volkskongresses, der ein neues Eigentumsgesetz verabschiedete, das Staats- und Privateigentum rechtlich gleichsetzt.
Wen aber begann beim Thema Devisenreserven. China hat sie im Wert von mehr als 1.000 Milliarden Dollar gehortet, davon drei Viertel in US-Währung – man sagt, es sei der größte Schatz der Welt. Was aber macht das Land mit seiner Geldmacht? China könnte mit dem Verkauf seiner Reserven den Dollar in den Keller stürzen, die amerikanischen Zinsen in die Höhe treiben und eine Weltwirtschaftskrise auslösen. Jeder weiß das.
Also hörte man Wen in Peking gern zu, als er versprach, dass, was immer seine Regierung mit den Devisen unternehme, dies „keinen Einfluss auf die Dollaranlagen“ Chinas haben werde. Er räumte sogar ein, dass diese Dollaranlagen „im gegenseitigen Interesse“ gekauft worden seien – und zementierte damit die stillschweigende Allianz der reichen Industrieländer mit China. Diese erlaubt es westlichen Firmen, in China billig herzustellen, während China einen hohen Handelsüberschuss einfährt, der die Basis seiner Devisenüberschüsse bildet. Die Devisen aber legt China in westlichen Staatsanleihen an, um dort Zinsen niedrig und Kaufkraft für chinesische Güter hochzuhalten.
Noch hält diese Allianz. Gleichwohl betonte Wen erstmals öffentlich, dass die hohen Reserven für Peking zu einem Problem werden und ein Teil von ihnen künftig gewinnbringender als in westlichen Staatsanleihen angelegt werden müsse.
Tatsächlich drohen Peking beim derzeit fallenden Dollarkurs die größten Devisenwertverluste der Wirtschaftsgeschichte. Wen kündigte deshalb an, eine unabhängige Investment-Agentur für die Devisenverwaltung einzurichten. Wann die Agentur ihre Arbeit aufnehmen werde und welcher Teil der Reserven ihr zur Verfügung stehen würde, sagte Wen aber nicht. Geschätzt wird, dass nur die neu gewonnenen Reserven – derzeit monatlich 20 Milliarden Dollar – der Agentur zufließen.
Bleibt jedoch die Frage, ob allein die gestrigen Ankündigungen Wens schon Spekulationen gegen den Dollar auslösen. Dies könnte die chinesischen Devisenpläne weiter verzögern. Überhaupt wollte Wen kein allzu rosiges Bild seiner mit über 10 Prozent Wachstum boomenden Wirtschaft zeichnen. Das Wachstum sei nicht nachhaltig, warnte er. Nur wenn es China gelänge, den Energieverbrauch drastisch zu senken, die Natur zu schützen und das Potenzial der Binnennachfrage zu nutzen, sei dauerhaftes Wachstum möglich.
Wen bestätigte, dass China in diesem Jahr einen nationalen Plan zum Klimaschutz verabschieden werde – mit dem Hauptziel den Energieverbrauch pro Einheit des Bruttosozialprodukts um 20 Prozent bis 2010 zu senken. Die Ziele sind so ehrgeizig, dass viele westliche Experten an ihrer Umsetzung zweifeln. Aber auch darin spiegelte sich Wens Botschaft wieder: China will da agieren, wo es vom Westen die größten Vorwürfe zu erwarten hat, um das eigene Bedrohungspotenzial abzubauen.
Bei so viel auf westliche Kritik gemünzter Rede, gingen wichtige innere Reformen, die Wen ankündigte, fast unter. Zum ersten Mal will Peking allen Chinesen ein gesetzliches Mindesteinkommen und eine gesetzliche Krankenversicherung garantieren. Bisher waren 800 Millionen Bauern davon ausgenommen.
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