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Archiv-Artikel

„Wir verfügen Abstiege“

Sepp Blatter, der Präsident des Internationalen Fußballverbandes (Fifa), über Gewaltexzesse in den Stadien, korrupte Funktionäre in seinem Verband, gute Geschäfte und seine persönlichen Einkünfte

INTERVIEW JEAN FRANÇOIS TANDA

taz: Herr Blatter, wie kann die Fifa die Gewaltproblematik in Europas Fußball lösen?

Sepp Blatter: Die Fifa ist keine Polizei und hat keine Polizeigewalt. Wir können nicht für die öffentliche Sicherheit verantwortlich gemacht werden. Aber der Fußball muss mit den staatlichen Organen kooperieren. In England ist jedes Stadion videoüberwacht. An einem Spiel, das ich besucht habe, hat die Kamera aufgezeichnet, wie einer zu pöbeln anfing. Sofort kamen drei Polizisten und haben den Mann aus dem Stadion befördert.

Warum schreiten Sie als Fifa-Präsident nicht gegen Krawallmacher und Neonazis in Fußballstadien ein?

Wir schreiten gegen jegliche Diskriminierungen ein, gegen Rassismus, gegen politische oder religiöse Ultras. Doch wir können nur so weit gehen, wie es unsere Statuten erlauben.

Diese erlauben es Ihnen, etwa den Fußballverband Italiens zu bestrafen.

Die Fifa kann nicht jedes Mal direkte Sperren aussprechen. Passiert etwas in Italien, muss zuerst der italienische Verband einschreiten. Nur falls er zu wenig macht, wird die Fifa aktiv. Das Bundesgericht hat kürzlich bestätigt, dass wir Punkteabzüge, Zwangsabstiege und Ausschlüsse verfügen dürfen.

Werden Sie diese Instrumente künftig vermehrt einsetzen?

Ja, das werden wir. Das war für uns ein wegweisendes Urteil.

Sie kandidieren erneut als Fifa-Präsident. Ist dies der Anpfiff zur Verlängerung oder erst zur zweiten Halbzeit?

Es beginnt die Verlängerung. Vorerst bin ich bis zum 31. Mai Präsident. Werde ich nochmals gewählt, beginnt eine weitere Amtszeit von vier Jahren.

Was ist Ihr Programm?

Wir müssen die soziale Verantwortung des Fußballs wahrnehmen. Es gibt viele Probleme zu lösen, etwa den Missbrauch des Fußballs durch Neonazis, Rassismus, illegale Wetten, Doping. Auch die Geldflüsse im Fußball sind ein Thema. Zudem öffnet sich die Schere: Die Reichen werden immer reicher.

Wie war das Geschäftsjahr mit der WM in Deutschland?

2006 war ein erfolgreiches Jahr. Den großen Gewinn hat aber nicht die Fifa gemacht, sondern das deutsche Organisationskomitee, nämlich 135 Millionen Euro. Davon sind 40 Millionen an die Fifa gegangen.

Warum hat die Fifa 2,5 Millionen Franken Schmiergelder an ihre ehemalige Geschäftspartnerin ISL zurückbezahlt?

Wir? Wir haben nichts einbezahlt.

Das steht in einem Urteil. Hier steht: „Zahlung eines Vertreters der Fifa.“ Wer ist denn dieser Vertreter?

Weder der Fifa-Präsident noch der Generalsekretär, die Finanzkommission oder das Exekutivkomitee wissen etwas davon. Ich wüsste es ja, wenn das geschehen wäre. Unsere Finanzbuchhaltung ist sauber. Wenn Sie das Finanzgebaren der Fifa angreifen wollen, dann behüt’ euch Gott.

Medien berichteten, dass Ihr Kollege Nicolas Leoz Schmiergelder kassiert habe. Haben Sie ihn darauf angesprochen?

Wenn ich mich an der Presse orientieren würde, käme ich nicht dazu, meine Arbeit zu machen.

Sind imageschädigende Schmiergeldgeschichten kein Thema im Exekutivkomitee?

Nein, ganz bestimmt nicht. Lassen wir doch die Justiz arbeiten. Was die Medien berichten, ist von zweit- oder drittklassigem Belang, solange kein Gerichtsurteil vorliegt. Sollten Mitglieder meiner Regierung in ein Gerichtsurteil involviert sein, wird sich die neue Ethikkommission darum kümmern.

Fifa-Vizepräsident Jack Warner hat mit unerlaubten WM-Ticketverkäufen mehrere Millionen verdient. Was geschieht, wenn er bis Ende März nicht 700.000 Dollar zurückbezahlt?

Warten wir mal Ende März ab.

Was haben Sie 2006 verdient?

Ich habe kein Salär, ich werde entschädigt, ich bin ein Pensionierter. Mir wurden eine Million Dollar bezahlt. Für einen Exekutivpräsidenten ist das angebracht. Die Fifa hat großen Wert, nicht nur finanziell. Wenn Sie in der Welt herumreisen und sagen Fifa, Zürich, Switzerland, sind alle beeindruckt. Doch hier mosert man herum und spricht von „Fifa-Palast“. Warum?

Weil seit Jahren Gerüchte kursieren, wonach die Fifa mauschelt und korrupt ist.

Eben: Gerüchte. Lesen Sie dann die Wahrheit in meiner Biografie. Sie wird bald erscheinen.