piwik no script img

Archiv-Artikel

Verborgene Kraft unter der Ruhr

Der Geologische Dienst NRW bereitet sich auf die Zeit nach dem Kohlebergbau vor: In nicht so ferner Zukunft könnte im Ruhrgebiet mit Geothermie geheizt werden, sagen die Wissenschaftler. Die Erdwärme gilt als umweltfreundlich

VON LUTZ DEBUS

Ein Jahrhundert lang hat das Ruhrgebiet die Menschen mit Energie versorgt. Während Politiker über die Geschwindigkeit des Ausstiegs aus dem Steinkohlebergbau diskutieren, hat Ingo Schäfer eine ganz andere Vision. In zehn Jahren, so der Wissenschaftler beim Geologischen Dienst NRW in Krefeld, könne man vielleicht schon im großen Stil die Erdwärme in der Region nutzen. Geothermie statt schwarzes Gold.

In den letzen drei Jahren hat der Geologische Dienst im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Energie in Düsseldorf, dem der Dienst untersteht, die „Geothermie-Studie Ruhrgebiet“ erarbeitet. Diese beinhaltet ein detailliertes dreidimensionales Modell vom Untergrund des Kohlenpotts und des angrenzenden Niederrheins bis zu einer Tiefe von 5.000 Metern.

Dazu musste nicht extra gebohrt werden. Drei Geologen aus Krefeld werteten alle bekannten Bohrungen aus und fassten die Ergebnisse zusammen. Die Region zwischen Ruhr und Lippe ist wegen des Bergbaus eine der geologisch am besten erforschten Gebiete in Deutschland. Aber auch ein anderes Argument spreche dafür, zwischen Duisburg und Dortmund Erdwärme aus der Tiefe zu nutzen, so der Geologe Ingo Schäfer. Mit der Tiefenwärme von 170 Grad Celsius soll nicht nur Strom erzeugt werden. Es fällt auch eine nicht unerhebliche Menge an Wärme an. Diese könne in der dicht besiedelten und industrialisierten Region gut weiterverwendet werden.

Für den privaten Häuslebauer existiert, so die Auskunft des Geologischen Dienstes, bereits eine entsprechende Karte von NRW. Aus der geht hervor, wie gut man Erdwärme bis zu einer Tiefe von 100 Metern nutzen kann. Diese so genannte Oberflächengeothermie kann, so Schäfer, ohne großen Aufwand von Privatpersonen in Anspruch genommen werden. Bis zu jener Tiefe bedarf es für eine Bohrung keiner bergrechtlichen, sondern nur einer wasserrechtlichen Genehmigung. Je nach Lage des Projektes und Größe des Hauses muss man bis zu 10.000 Euro investieren.

Zu den entsprechenden Bohrungen und Rohren kommt noch eine Wärmepumpe dazu, quasi ein verkehrt herum funktionierender Kühlschrank im Keller. Aus einer Kilowattstunde elektrischer Energie lassen sich so vier Kilowattstunden Wärmeenergie erzeugen. Die Energieagentur NRW geht davon aus, dass sich so eine Heizungsanlage in spätestens zehn Jahren amortisiert hat.

In Nordrhein-Westfalen gebe es, so bekräftigt Ingo Schäfer, ideale geologische Voraussetzungen, diese umweltfreundliche Technologie zu nutzen. 70 Prozent der Fläche des Landes gilt als effizient zur Nutzung der Geothermie. Nur ausgewiesene Wasserschutzgebiete und grundwasserarme Flächen, wie zum Beispiel in der Nähe des Braunkohletagebaues, seien nur bedingt geeignet. Entscheidend ist also, welches Gesteinsmaterial in der Tiefe lagert. Wasserführende Schichten eignen sich mehr, weil sie die Temperatur besser leiten als trockene.

Gerade das Rheinland mit seinen Kiesböden ist ein El Dorado der Geothermie. Die Temperatur des Bodens ist ab einer Tiefe von 20 Metern im Sommer wie Winter gleich und entspricht dem Jahresmittel der gemessenen Lufttemperatur, in NRW etwa acht bis zehn Grad. Wegen der Wärme aus dem Inneren der Erde steigt das Thermometer dann pro 100 Meter Tiefe um jeweils drei Grad.

Auf diese höheren Temperaturen haben manche Energiekonzerne schon ihren hungrigen Blick geworfen. In Mecklenburg-Vorpommern, in der Kleinstadt Neustadt-Glewe, gibt es bereits ein Erdwärme-Kraftwerk mit einer Leistung von 210 Kilowatt. Der Mehrheitsgesellschafter dieses Minikraftwerkes ist Vattenfall.

Ganz risikolos ist die Nutzung der Erdwärme aus größerer Tiefe aber nicht ganz. In Basel gab es in Folge einer vier Kilometer tiefen Bohrung ein schwaches Erdbeben der Stärke 3,1. Mit Wasser, das mit hohem Druck in das Bohrloch gepumpt werden muss, wird das Gestein zwischen der Zu- und Ableitung des Kraftwerks aufgelockert und für Wasser durchlässig gemacht. Dadurch können kleine Erdbeben ausgelöst werden. Allerdings, so beteuert Ingo Schäfer, gehe im Ruhrgebiet davon keine Gefahr aus. „Hier besteht nicht so ein Spannungsregime wie unter San Francisco oder eben am Oberrheingraben.“ Nicht unerheblich ist allerdings das finanzielle Risiko für die Investoren. „Bei Bohrungen können viele unvorhersehbare Schwierigkeiten auftauchen, die die Kosten eines Projektes in die Höhe treiben.“ Darum, so Schäfer, ist die geologische Vorerkundung unabdingbar. „Eine Geothermieanlage zu errichten ohne die Geologie zu kennen, ist so wie eine Haus ohne Statik zu bauen!“