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Archiv-Artikel

Verkäuferin gegen Schlecker

Die Drogeriekette Schlecker duldet nur flexible Verkäuferinnen: Eine Frau, die zwei Kinder hat und einen Betriebsrat gründen will, soll rausfliegen. Die Bremerin Antje Treptow wehrt sich vor Gericht

VON KLAUS WOLSCHNER

Die Streit-Akte ist bemerkenswert: 28 Abmahnungen, eine Kündigung, ein Streit vor dem Landesarbeitsgericht um den Antrag auf Teilzeitarbeit – fast 20 Zentimeter dick ist die Akte, die der Schlecker-Anwalt gestern im Bremer Arbeitsgericht auf den Tisch legte. Es geht um die Verkäuferin Antje Treptow. Was hat die Frau Böses getan, fragt man sich, dass der große Konzern sie um jeden Preis loswerden will?

Die Antwort ist schlicht: Sie hat zwei Kinder bekommen und möchte ihre Arbeit in einer Bremer Schlecker-Filiale mit ihrer familiären Situation vereinbar machen. Als ihr das verwehrt wurde, kuschte sie nicht wie die anderen in ihrer Lage, sondern wollte einen Betriebsrat gründen. Gestern stand sie vor dem Arbeitsgericht, weil sie sich gegen eine Kündigung wehrt. Am Dienstag steht sie vor dem Landesarbeitsgericht in Sachen Teilzeit schon in der zweiten Instanz. Schlecker lässt nicht locker.

Seit 1998 arbeitet Antje Treptow bei Schlecker, in den ersten Jahren gab es keine Probleme, sie brachte es zur „Verkaufsstellenleiterin“. Da meist in den Schlecker-Filialen nur eine Verkäuferin präsent ist, die als Mädchen für alles verkaufen, Ware auspacken und insgesamt für Ordnung sorgen muss, ist da nicht viel zu leiten, aber immerhin. Dann wurde Antje Treptow schwanger. Und dann bekam sie ihr zweites Kind – und wollte ihre volle Stelle auf eine Teilzeitstelle reduzieren – mit verlässlichen Arbeitszeiten. Der Kinder wegen. Geht nicht, sagte die Firma Schlecker, und empfahl ihr, zu kündigen. Sie kündigte aber nicht, sondern klagte gegen Schlecker.

Gestern vor dem Arbeitsgericht Bremen ging es um die Kündigung, die Schlecker ihr dann im vergangenen Juli in die Hand gedrückt hat. 28 Abmahnungen waren dieser Kündigung vorangegangen, deren Substanz eher dürftig ist. „Testkäufer“ seien auf die Verkäuferin angesetzt worden, trug der Anwalt von Schlecker vor, und die hätten in zwei Fällen festgestellt, dass die Verkäuferin nicht beim Kassieren gleichzeitig auf das „Homeshopping-Center“ von Schlecker hingewiesen habe. Ihre weiteren Verstöße gegen ihre Arbeitnehmerpflichten: Sie habe das Bestellmagazin den Kunden nicht „aufgeschlagen“ präsentiert. Treptow bestreitet das.

Die Arbeitsrichterin warf die Frage auf, ob derartiges offensives Werbeverhalten für andere Produkte als die, die der Kunde wolle, wirklich zu den Pflichten einer Verkäuferin gezählt werden könne. Für den Anwalt von Schlecker gab es da keine Frage, „aktives Verkaufen“ gehöre dazu.

Aber eigentlich geht es in dem gerichtlichen Verfahren um eine weitergehende Frage: Antje Treptow ist Wahlvorstand für die Wahl eines Betriebsrates, der für einen Großteil der Bremer Filialen zuständig sein soll, und genießt damit eigentlich Kündigungsschutz. Wenige Tage, nachdem dieser Wahlvorstand eingesetzt worden war, hat Antje Treptow aber ihr Kündigungsschreiben überreicht bekommen. Für Verdi ist die Sache klar: Schlecker will den Betriebsrat nicht. Ein fünftes Mitglied im Wahlvorstand hat dieses Amt inzwischen niedergelegt – unter massivem Druck, sagt der Verdi-Sekretär.

Schlecker führt an, dass Wahlvorstand Antje Treptow keinen Kündigungsschutz gehabt habe, weil bei der Bestellung ein Formfehler passiert sei. Jedenfalls gibt es Probleme im Protokoll. Selbst wenn das so wäre, meinte die Richterin, müsse man prüfen, ob ein Wahlvorstands-Mitglied nicht Vertrauensschutz genießt – und also Kündigungsschutz. Über die offenen Rechtsfragen wird weiter gestritten, das Verfahren soll in einigen Wochen fortgesetzt werden.

Am kommenden Dienstag geht es vor dem Landesarbeitsgericht erst einmal um die Frage, ob eine Mutter mit zwei Kindern einen Anspruch auf feste Teilzeit-Arbeitszeiten hat. Wenn das Landesarbeitsgericht das Urteil aus erster Instanz bestätigt, werden vielleicht auch andere Discounter-Angestellte Mut finden, sich gegen unzumutbare Flexibilitäts-Anforderungen zu wehren, sagt Verdi.