: Flugabgase bringen künftig bares Geld
Der Luftverkehr soll ab 2011 Teil des Emissionshandelssystems werden. Für die Airlines könnte das ein gutes Geschäft werden
BERLIN taz ■ Fliegen in oder nach Europa wird teurer. Und das aus gutem Grund. Denn die EU-Kommission will den Luftverkehr in den Emissionshandel einbeziehen. Ab 2011 soll diese Regelung für die Flüge innerhalb der Europäischen Union gelten. Ein Jahr später auch für alle Flugzeuge, die von einem Flughafen in der EU starten oder auf diesem landen. Das wird die Ticketpreise in der ersten Stufe um 1,80 bis 9 Euro erhöhen, schätzt die Kommission. Für Flüge in andere Kontinente ab 2012 wird der Zuschlag entsprechend höher ausfallen. Der Lohn dafür: Der Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid wird begrenzt. Das hofft zumindest EU-Umweltkommissar Stavros Dimas, der den Plan gestern in Brüssel präsentierte.
Zur Teilnahme am EU-Emissionshandel sind bislang nur Kraftwerke und energieintensive Industrieanlagen verpflichtet. Zwar kommt aus den Düsen der Jets genau dasselbe Kohlendioxid wie aus den Autos oder Kraftwerken. In 10.000 Meter Höhe ausgestoßenes CO2 gilt aber als dreimal so klimaschädlich, weil es in der Flughöhe von 8 bis 13 Kilometern langsamer abgebaut wird als am Boden emittierte Gase. 3 Prozent aller in Europa produzierten Treibhausgase stammen vom Flugverkehr. Doch dieser Anteil dürfte sich erhöhen. Denn die Luftfahrt ist eine Wachstumsbranche. Bis 2020 würde sich ihr Ausstoß an Klimadreck verdoppeln – wenn alles so weiterliefe wie bisher.
Das kann es aber nicht. Schließlich hat die Europäische Union Klimaschutzziele zu erfüllen. Die 15 alten Mitgliedsstaaten müssen bis 2012 8 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als 1990. Davon sind gerade mal 0,6 Prozent geschafft. Deshalb sollen nun auch Fluglinien nur noch in dem Maße CO2 in die Luft blasen dürfen, in dem ihnen entsprechende Zertifikate zur Verfügung stehen. Wer mehr verbraucht, muss an der Börse dazukaufen.
Den Großteil der Zertifikate bekommen die Unternehmen aber vom Staat zugeteilt – kostenlos. Damit wiederholt sich ein Problem, das schon bei den Energiekonzernen für großen Ärger gesorgt hat. Auch die haben nämlich in der Regel ihre Zertifikate umsonst erhalten, sie dann aber zur Begründung von Strompreiserhöhungen genutzt. Eine Argumentation, die das Bundeskartellamt nicht einsieht (siehe Kasten). Sie hat aber zunächst für milliardenschwere sogenannte Windfall-Profits gesorgt. Auch den Fluggesellschaften fallen nun die Zertifikate in den Schoß, ein Geschenk von rund 3,5 Milliarden Euro, wie die Umweltschutzorganisation WWF ausgerechnet hat.
Doch nicht nur deshalb sind ökologisch ausgerichtete Verkehrsexperten nicht wirklich zufrieden mit dem Vorschlag von Stavros Dimas. Die Europäische Vereinigung für Transport und Umwelt erklärte gestern, dass die Pläne zu schwach seien, um den Treibhausgasausstoß substanziell zu senken. Ein Grund dafür: Der Emissionshandel berücksichtigt zunächst nur Kohlendioxid. Dieses machte aber weniger als 25 Prozent des Treibhausgaseffekts der Fliegerei aus. Schädliche Partikel und Stickoxide würden nicht erfasst. Zwar will die EU-Kommission auch zumindest für Letztere bis Ende kommenden Jahres eine Regelung finden. Noch ist offen, wie diese aussieht. Genug Einflussmöglichkeiten für Lobbyisten der Fluggesellschaften wie der Lufthansa.
Diese erklärte gestern bereits, die Vorschläge hätten geringe Auswirkungen auf den Umweltschutz und brächten Europas Luftfahrtindustrie „Nachteile im weltweiten Wettbewerb“. Air Berlin kritisierte die „Insellösung“ der EU ebenfalls. Wie mächtig der Einfluss der Lobbyisten ist, zeigt schon die Einführung der Regelung in zwei Stufen. Ursprünglich wollte Dimas sofort für alle Flugbewegungen in, nach oder aus der EU den Emissionshandel einführen. Das brachte nicht nur die Luftlinien aus anderen Kontinenten, sondern auch deren Botschafter auf den Plan.
Deren Erfolg, ein Jahr Aufschub, mag gering scheinen. Aber immerhin haben sie es geschafft, dass die Kommission bereits vor der offiziellen Verkündung ihren Vorschlag aufweicht. Dabei hat das eigentliche Verhandlungspoker in den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament noch gar nicht angefangen.
STEPHAN KOSCH