: Rauch-Kompromiss unter Feuer
Ministerien melden juristische Bedenken gegen die geplanten Rauchverbote an
BERLIN taz ■ Der mühsam ausgehandelte Rauch-Kompromiss von Union und SPD wird aus den eigenen Reihen torpediert. Sowohl aus den Fraktionen als auch aus Ministerien werden verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf laut. Der soll das Rauchen in Diskos, Schulen und Kindergärten ganz verbieten und in Restaurants nur in gesonderten Räumen erlauben. Der SPD-Politiker Lothar Binding, der den Kompromiss mit ausgehandelt hat, sagte der taz: „Ich ärgere mich: Wann immer man etwas verzögern will, ist es gut, Verfassungsfragen zu stellen.“
Das Handelsblatt berichtete aus Regierungskreisen, Justiz- und Innenministerium hätten deutlich gemacht, „dass der Bund nicht alles regeln kann, was die Koalitionsarbeitsgruppe gerne möchte“. Bereits während der Verhandlungen der sechsköpfigen Arbeitsgruppe war das Innenministerium um Stellungnahme gebeten worden. Ergebnis: Der Bund sei nicht zuständig. Die Arbeitsgruppe hatte diese Warnung allerdings weggewischt. Die Ministerialbeamten, hieß es damals, hätten gar nicht vorausgesetzt, dass Passivrauchen lebensgefährlich ist.
Genau von diesem Punkt leiten die Rauchverbieter von Union und SPD die Zuständigkeit des Bundes ab: Die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten nach Artikel 74 Grundgesetz.
Am einfachsten wäre es gewesen, Rauchen über den Arbeitsschutz zu verbieten: Hier ist der Bund eindeutig zuständig. Am Arbeitsplatz ist das Rauchen bereits verboten, für Gastronomie und Räume mit Publikumsverkehr gelten Ausnahmen. Die müsste man nur streichen. Aber: Diese Möglichkeit verbauen sich die Koalitionäre durch ihre Inkonsequenz. Denn in Bars, Kneipen und Bierzelten soll Rauchen erlaubt bleiben.
SPD-Mann Binding hatte ursprünglich ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie durchsetzen wollen – durch einen fraktionsübergreifenden Antrag. Den hatte er wegen der Aussicht gestoppt, mit dem Koalitionspartner einen Kompromiss zu erzielen. Nun, da der Kompromiss gefunden ist, wird daran gedreht. Wenn einzelne Ministerien Bedenken hätten, müsse „Führungsarbeit“ im Kabinett einsetzen, fordert Binding deshalb. „Die Regierung muss sich überlegen, in welcher Verantwortung sie steht.“ Wenn ein Konsens nicht möglich sei, werde er notfalls seinen ursprünglichen fraktionsübergreifenden Antrag wieder einbringen.GEORG LÖWISCH