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Archiv-Artikel

SPD sucht nach Kontrastprogramm zu Koch

Hessens Sozis entscheiden heute, ob Andrea Ypsilanti oder Jürgen Walter 2008 gegen den CDU-Regierungschef antritt

FRANKFURT/MAIN taz ■ Die Delegierten auf dem Parteitag der hessischen SPD in Rotenburg stimmen heute darüber ab, wer bei den Landtagswahlen im Frühjahr 2008 gegen Ministerpräsident Roland Koch (CDU) antreten muss. Zur Wahl stehen die 49 Jahre alte Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti und der 38-jährige Fraktionschef im Hessischen Landtag, Jürgen Walter.

Die Vorwahlen hat Walter klar gewonnen – auf den ersten Blick. In 18 von 26 Unterbezirken, in denen die beiden Spitzenfunktionäre seit Mitte September gegeneinander antraten und um die Gunst der Parteibasis warben, siegte der Jurist aus Friedberg.

Nur in 8 Untergliederungen der Partei konnte die Soziologin aus Frankfurt eine Mehrheit der Mitglieder für sich gewinnen. Nach seinem letzten Sieg am Donnerstagabend im Odenwaldkreis (89:71) frohlockte Walter denn auch schon: „Das ist ein eindeutiges Votum der Mitglieder unserer Partei.“ Das Votum der Basis ist für die Delegierten auf dem Parteitag allerdings nicht bindend. Es steht ihnen also frei, eine eigene Entscheidung zu treffen.

Gemessen an Einzelstimmen erzielte Walter ohnehin nur einen knappen Vorsprung von nicht einmal 200 von insgesamt 8.000 abgegebenen Stimmen. Denn Ypsilanti obsiegte in den großen Unterbezirken wie etwa Frankfurt, Darmstadt, Gießen und Offenbach, die auch viele Delegierte für den Parteitag stellen. Für sie votieren auch viele Ausschüsse und Arbeitsgemeinschaften der Landespartei, die sich bei der letzten Wahl mit mageren 29,1 Prozent der Stimmen bescheiden musste.

Bei den hessischen Jusos lag Ypsilanti mit 58 Prozent vorne; bei der Arbeitsgemeinschaft SPD 60plus Hessen Süd gar mit 62,5 Prozent. Vom Bezirksvorstand Hessen Süd erhielt die in Rüsselsheim geborene Tochter eines Opelarbeiters alle 10 Stimmen. Auch bei der Abstimmung auf der Bezirkskonferenz Hessen Süd der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen gelang Ypsilanti ein Kantersieg: 73:0. Auch viele SPD-Bundestagsabgeordnete aus Hessen machen sich für sie stark. Allen voran Heidemarie Wieczorek-Zeul, die einst als rote Heidi ganz links in der Partei verortet wurde.

Ypsilanti hofft: „Das Rennen ist knapp.“ Sie sagt, man könne sie gerne als links bezeichnen - wenn damit ihr Eintreten für gleiche Bildungschancen und Arbeitnehmerrechte gemeint sei. Im Verlauf ihrer kurzen Karriere als Parteivorsitzende seit der historischen Wahlschlappe von 2003, als kein anderer Sozialdemokrat bereit war, gegen Koch anzutreten, hat sie sich denn auch schon mit vielen angelegt: Mit Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann etwa – weil er trotz Milliardengewinn tausende von Arbeitsplätzen zur Disposition stellte.

Konkurrent Walter ist da diplomatischer. Der um staatsmännischen Habitus bemühte passionierte Skifahrer ist der Favorit des Unternehmerflügels in der Partei. Wirtschaftspolitik in Kombination mit einer anständigen Sozialpolitik, so sein sein Thema auf der langen „Primary“-Tour durch Hessen.

Für Überraschungen war die hessische SPD immer gut. Die linke Ypsilanti als Herausforderin? Das wäre jedenfalls ein Kontrastprogramm zu Koch.

KLAUS PETER KLINGELSCHMITT