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Archiv-Artikel

Höchstes US-Gericht verhandelt Klimaschutz

Zwölf Bundesstaaten wollen die Umweltbehörde juristisch zu einer Regulierung der Autoabgase zwingen

WASHINGTON taz ■ Zwei aktuelle Verhandlungen vor dem Supreme Court der USA könnten den Kurs der Administration von US-Präsident George W. Bush in Sachen globaler Erwärmung nachhaltig ändern. Die erste Anhörung im Fall „Massachusetts gegen US-Umweltbehörde“ fand am gestrigen Mittwoch in Washington statt.

Zwölf US-Bundesstaaten, allen voran Kalifornien und der District of Columbia, haben den Obersten Gerichtshof angerufen. Sie wollen erreichen, dass er die Bundesumweltbehörde anweist, die Treibhausgasemissionen der US-Automobile zu regulieren. Seit ihrem Amtsantritt vor sechs Jahren ist die Bush-Administration nicht von ihrer Haltung abgewichen, dass die Emissionskontrolle aufgrund der freiwilligen Selbsteinschränkung der Industrie erfolgen müsse. Die US-Administration, die im „Kampf gegen den Terror“ sogar über den verfassungsrechtlich genehmigten Rahmen hinaus agiert, besteht bei der Klimapolitik darauf, „keine ausreichende Machtfülle zu haben, um eine ganze Kategorie von Schadstoffen zu eliminieren“.

Im Einklang damit verweigert die US-Bundesumweltbehörde sich seit Jahren der von Wissenschaftlern mehrheitlich geteilten Ansicht, dass „Treibhausgase Luftverschmutzer sind und damit der staatlichen Regelung unterliegen“. Vielmehr zweifelt die US-Regierung seit 2001 beharrlich an, dass es ausreichende wissenschaftliche Fakten gäbe, um die Annahme der Klimaerwärmung durch menschliche Aktivitäten zu stützen.

Gewinnen die Kläger, könnte die Umweltbehörde gezwungen werden, den Kohlendioxidausstoß nicht nur von Autos, sondern auch von Kraftwerken und der Industrie im Allgemeinen regulieren zu müssen. Die US-Zeitung Houston Chronicle bezeichnete das Gerichtsverfahren als „die vielleicht signifikanteste Klage in Umweltfragen, die jemals diese marmornen Hallen erreicht hat“. Gute Chancen haben die Kläger allemal. Denn der sogenannte „Clean Air Act“, das seit 1977 existierende US-Luftreinhaltegesetz, um das nun gestritten werden soll, formuliert die Aufgabe der Umweltbehörde recht eindeutig. Diese habe die Pflicht, die US-Bürger „in ihrer Wohlfahrt und öffentlichen Gesundheit“ zu schützen. Zu „Wohlfahrt“, so der Gesetzestext, gehören Klima und Wetter dazu.

Der zweite Streit, den der Supreme Court hören wird, ist der Fall „Umweltbehörde gegen Duke Energy Corp.“. Die Umweltbehörde will die größten US-Kohlekraftwerksbetreiber, darunter Duke Energy, dazu zwingen, modernste Filteranlagen zu installieren. Die Anwälte der betroffenen Kraftwerke, die US-weit für rund 50 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich sind, behaupten, dass die US-Regierung ihre Haltung hinsichtlich der Regulierung der Kohlekraftwerksemissionen unangekündigt geändert habe. Die Industrie habe bis 1999 keine Mitteilung darüber erhalten.

Unterdessen veröffentlichte Dokumente geben der US-Umweltbehörde allerdings Recht. Die Industrie wusste offenbar seit den frühen 80er-Jahren über die verschärften Auflagen für alternde Kraftwerke bestens Bescheid – und ignorierte die Gesetzeslage. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in beiden Fällen wird für den kommenden Sommer erwartet.ADRIENNE WOLTERSDORF