: Meer wird Essig
Norwegen will mit CO2-Lagern seine Klimabilanz verbessern. Jetzt warnen US-Forscher vor den Deponien
STOCKHOLM taz ■ Die Speicherung von Kohlendioxid unter dem Meeresboden ist problematischer als bislang angenommen. Einer aktuellen Studie von Forschern der Universität Austin/Texas zufolge entsteht aus der Mischung aus salzigem Meerwasser und Kohlendioxid ein aggressives Gebräu, das Mineralien aus dem Meeresboden löst und diesen zunehmend durchlässiger macht. Mit der Folge, dass das CO2 womöglich wesentlich schneller wieder aus dem Untergrund nach oben drückt und in die Atmosphäre entweicht als von den Befürwortern dieser Technik versprochen.
Die Forscher hatten vor zwei Jahren vor der Küste von Texas 1.600 Tonnen CO2 in 1.500 Metern Tiefe in Sandsteinformationen geleerter Ölfelder gepumpt, um die Wirkung derartiger „Injektionen“ zu untersuchen. Der pH-Wert in den fraglichen Reservoirs fiel in kurzer Zeit von nahezu neutralen 6,5 auf 3. „Vergleichsweise von Milch zu Essig“, zitiert die Zeitschrift New Scientist den Forschungsleiter Yousif Kharaka. Bislang habe das zwar noch zu keiner Leckage geführt, doch weil die Mineralien des Meeresgrundes attackiert würden, müsse mit einer solchen gerechnet werden.
Die Studie sorgt in Norwegen für Aufsehen. Dort hat der Ölkonzern Statoil gerade die Genehmigung zum Bau eines Gaskraftwerks bekommen, bei denen diese Deponierungstechnik Anwendung finden soll. „Wir sind uns klar darüber, dass der pH-Wert sinkt, wenn sich in den Reservoirs Kohlendioxid mit Salzwasser mischt“, sagt Tore Torp, Statoil-Experte für CO2-Injektion: „Das Gas kann sich den Weg nach oben bahnen, wenn die Geologie nicht ausreichend untersucht wurde.“ Allerdings werde seit zehn Jahren versuchsweise in das Sleipner-Feld unter der Nordsee CO2 injiziert, ohne dass Lecks aufgetreten seien.
Sollte sich die Deponierung unter dem Meeresboden als Irrweg erwiesen, wäre dies ein schwerer Rückschlag für die Klimapolitik Norwegens. Das Land liegt an der Spitze der europäischen Klimasünder. Die Deponien unter dem Meer gelten als wichtigste Gegenmaßnahme.
REINHARD WOLFF