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Archiv-Artikel

Die Rettung kostet nur 274 Milliarden

Wird der Klimawandel nicht gestoppt, hätte das katastrophale Folgen. Das Weltsozialprodukt könnte bis zum Jahr 2050 um ein Fünftel einbrechen

Die Labour-Partei wie die britischen Konservativen erwägen überdies, Klima-steuern einzuführen

VON GERNOT KNÖDLER

Der Klimawandel könnte für die Weltwirtschaft ähnlich fatale Folgen haben wie der Zweite Weltkrieg. Das ist das Ergebnis einer Studie, die der ehemalige Chef-Volkswirts der Weltbank, Nicholas Stern, gestern im Auftrag der britischen Regierung vorgelegt hat. Ohne eine konsequente Klimaschutzpolitik könnte das weltweite Bruttoinlandsprodukt um bis zu ein Fünftel niedriger ausfallen, als wenn jetzt gehandelt werde, schätzt Stern. Trockenheit und Überschwemmungen würden bis zu 200 Millionen Menschen in die Flucht treiben. Bis zu 40 Prozent der Arten droht die Ausrottung. Schon vor der Veröffentlichung hatte der britische Umweltminister David Miliband die Klimadebatte für beendet erklärt. „Die weltweite Erwärmung ist Realität.“ Auch Länder wie die USA, China und Indien müssten helfen, den Ausstoß an Klimagasen zu verringern.

Für sein Gutachten hat der Ökonom Stern die gängigen Klimaprognosen in ein ökonomisches Modell eingespeist und verschiedene Szenarien durchkalkuliert. Seiner Ansicht nach ist damit zu rechnen, dass sich das Weltklima in den nächsten 100 Jahren um bis zu 6 Grad aufheizen wird. Stürme, Überschwemmungen, Dürren und Hungersnöte würden das Produktionsvolumen der Weltwirtschaft um 5,5 Billionen Euro schmälern. Um den Ausstoß an Treibhausgasen bis 2050 zu stabilisieren, müssten dagegen nur 274 Milliarden Euro, 1 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, ausgegeben werden. Mit diesem Geld müssten die Emissionen pro Euro des Weltsozialprodukts um drei Viertel verringert werden.

Wie ehrgeizig diese Forderung ist, zeigen die bescheidenen Fortschritte beim Klimaschutz. Wie das Sekretariat der UN-Klimakonvention gestern mitteilte, sind die Emissionen der 41 Unterzeichnerstaaten zwischen 1990 und 2004 zwar um 3,3 Prozent zurückgegangen. Der Rückgang ist aber hauptsächlich auf den Zusammenbruch der alten Industrie in den Ländern Mittel- und Osteuropas zurückzuführen, die 36,8 Prozent weniger Klimagase in die Atmosphäre entließen als 1990. Die übrigen Mitgliedstaaten emittierten dagegen 11 Prozent mehr. Und bei den Mittel- und Osteuropäern zeichnet sich eine Wende zum Schlechteren ab: 2004 bliesen sie 4,1 Prozent mehr Treibhausgase in die Luft als im Jahr 2000.

Sterns Studie unterfüttert die Politik der Labour-Regierung. Das Gutachten sei das wichtigste, das ihm während seiner Amtszeit vorgelegt worden sei, sagte Premierminister Tony Blair der Zeitung Sun. Seine Regierung machte im Gegensatz zur deutschen von der Möglichkeit Gebrauch, CO2-Emissionsrechte zu versteigern. Die Labour-Partei wie die britischen Konservativen erwägen überdies, Klimasteuern einzuführen.

Die Briten begreifen den Klimaschutz als Chance für ihre Wirtschaft. Die Kohleförderung haben sie weitgehend beendet, ihre Automobilindustrie spielt nur noch eine marginale Rolle. In erneuerbaren Energien, der Wasserstofftechnik und der Finanzierung des Emissionshandels sehen sie neue Möglichkeiten, Geld zu verdienen.

Auch die deutsche CDU denkt um. Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Katherina Reiche, schlug gestern vor, 10 Prozent CO2-Emissionsrechte für die Energieversorgungsunternehmen mit Beginn der neuen Handelsperiode 2008 zu versteigern. „Die Notwendigkeit klimapolitischen Handelns hat sich verschärft“, sagte die Abgeordnete der taz. Die Koalition werde das im Zuteilungsgesetz für die künftigen Emissionsrechte berücksichtigen, das gerade erarbeitet wird.