: „Die USA sind mehr als Bush“
Das Klischee von den USA als Öko-Killer stimmt nicht. Trotz Widerstands gegen das Kioto-Protokoll denken die USA um. In puncto Biotechnologie sind sie dabei, Europa zu überholen, so der grüne Politiker Matthias Berninger
taz: Herr Berninger, Sie waren gerade vier Tage in den USA zu Gesprächen über erneuerbare Energien und sprechen schon davon, dass wir von den Amerikanern lernen könnten. Ist das nicht, wie beim Teufel das Weihwasser kaufen zu wollen?
Matthias Berninger: Vor fünf Jahren war das Thema in den USA noch ein absoluter Ladenhüter. Heute fließen dort Milliarden Dollar in die Erforschung und Entwicklung erneuerbarer Energien. Davon können die Autoren der Lissabon-Strategie in Europa nur träumen. Wir sollten nicht den Fehler machen, zu unterschätzen, was in den USA künftig so alles passieren kann.
Präsident George Bush verkündete im März, er wolle die Ölabhängigkeit der USA reduzieren. Das ist selbst von einigen Parteifreunden als Rhetorik entlarvt worden. Im Gegenteil, der Wettbewerb auf dem Ölmarkt zwischen den USA und China wird immer härter.
Beim Thema Energie verschmelzen aber die klassischen Sicherheitsinteressen der USA mit dem Klimaschutz, sowie mit der Standortpolitik für die Farmer im Mittleren Westen der USA. Hinzu kommt als vierter Faktor das sogenannte Risikokapital von US-Anlegern, hauptsächlich aus dem Silicon Valley. In Anspielung auf die grüne Dollar-Note gilt dort „green is green“. Man will mit Umwelt schlichtweg Geld verdienen. Aus diesen Gründen wird Amerika Europa überholen und umwelttechnologisch weit hinter sich lassen.
Darf ich Sie an Kioto erinnern, wo Bush die Bemühungen um die CO 2 -Reduktion torpediert hat? Nennen Sie mal ein gutes Beispiel.
Amerika ist mehr als Bush. Ohne Frage wäre es mir immer noch lieber, die Amerikaner würden das Kioto-Protokoll unterzeichnen. Aber jenseits dessen sollte man vor lauter Selbstgefälligkeit in Europa nicht versäumen, genauer hinzugucken. Nicht viele Europäer wissen, dass der Staat mit dem am schnellsten wachsenden und größten Aufkommen an Windenergie Texas ist. Das ist dort noch deutsche Technologie, aber nicht mehr lange.
Ist das nicht ein Tropfen auf den heißen Stein? Öffentlich spricht kein US-Politiker vom Energiesparen. Da werden nach wie vor schlecht isolierte Häuser gebaut, Spritfresser auf die Highways geschickt und die Regierung setzt auch für die kommenden Jahrzehnte auf 50 Prozent Energie aus US-Kohle.
Meine Gesprächspartner in der US-Administration zeigten sich besonders interessiert am Thema Gebäudesanierung, auch weil das Arbeitsplätze in der Baubranche bedeutet. Die denken um.
Während man in Europa und in Asien längst sparsamere Autos fährt, rauscht das Benzin in den USA nur so durch die Motoren überdimensionierter Pkws. Müssten da nicht eher die USA von Europa lernen?
Ich bin da vorsichtig. Nicht nur wegen der Erfolge von US-Hybrid-Autos. Auch beim Diesel gibt es eine beispielhafte Entwicklung. In Kalifornien, wo der republikanische Gouverneur Arnold Schwarzenegger eine der weltweit strengsten Umweltschutzgesetzgebungen durchgesetzt hat, wirbt das deutsche Unternehmen DaimlerChrysler mit der sogenannten Blue-Tech-Dieseltechnologie. Das ist ein um Längen saubererer Motor als das, was DaimlerChrysler uns in Europa verkauft. Es ärgert mich, wenn ich sehe, dass Unternehmen in Europa ihre modernere Technik verstecken, um ältere Standards so lange wie möglich auszunutzen.
Kalifornien ist dank umweltbewusster Wähler ein Vorzeigestaat. Was aber die CO 2 -Reduktion angeht, sind die USA insgesamt eher halsstarrig. Die USA sind verantwortlich für ein Viertel des weltweiten CO 2 -Ausstoßes.
… und die Nutzung der US-Kohlereserven wird das verstärken. Doch auch in Fragen der CO2-Lagerung ist die US-Forschung weiter als die europäische. CO2 lässt sich nicht einfach irgendwo lagern, wie es in Norwegen versucht wird. In den USA setzt man auf Zell- und Algenkulturen, die CO2 aufnehmen können und damit wachsen, so dass man den Kohlenstoff später als Biomasse wieder energetisch nutzen kann. Obwohl der US-Präsident eine steinzeitliche Umweltpolitik vertritt, investieren die USA erheblich mehr in Forschung und Entwicklung. Und wenn sie etwas in der Biotechnologie entdecken, setzen sie es schneller um. Von beidem können sich die Europäer eine Scheibe abschneiden.
Die Klimagipfel der letzten Jahre mit den USA kann man ja getrost ergebnislos nennen. Was müssten wir tun, damit sich das ändert?
Weniger Selbstgefälligkeit. Ich bin überzeugt, dass die USA das Klimathema gemeinsam mit uns voranbringen werden, wenn wir es schaffen, die Themen Klima, Sicherheit und Zukunft der Energieversorgung als einen Komplex zu diskutieren. Dass das alles zusammengehört, das ist in Washington nämlich schon angekommen. INTERVIEW:ADRIENNE WOLTERSDORF