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Archiv-Artikel

Polizei darf keine Dörfer einkesseln

Um einen Castor-Transport vor Anti-Atom-Aktivisten zu schützen, hielt die Polizei 2003 gleich alle Anwesenden eine Nacht lang im Ort Laase fest. Zu Unrecht, wie das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg jetzt entschied

Von SIB

Die Polizei hat gegen das Gesetz verstoßen, als sie in der Nacht zum 12. November 2003 den gesamten Ort Laase in Niedersachsen absperrte und über mehrere Stunden niemanden hinausließ. Sie wollte eine Blockade der Castor-Transportstrecke durch Atomkraftgegner vermeiden. Doch das Oberverwaltungsgericht gab jetzt auch in zweiter Instanz den Klägern gegen diesen Einsatz Recht. Es wäre ausreichend gewesen, wenn Polizeikontrollen „gewaltbereite Personen“ an den Ortsausgängen abgefangen hätten, so das Gericht.

Vor einem Jahr war bereits das Verwaltungsgericht Lüneburg zu dem Schluss gekommen, dass „eine vollständige Abriegelung der Ortschaft Laase gegen das Übermaßverbot verstoßen“ habe. Gegen dieses Urteil hatte die Polizeidirektion Lüneburg Berufung eingelegt.

„Laase war in dieser Nacht eine demokratiefreie Zone“, erinnert sich Willem Wittstamm. Seit fünf Jahren veranstaltet er das Kulturpogramm „Musenpalast“ in Laase, immer dann, wenn der Castor-Transport kommt. Viele seiner Zuschauer durften in der besagten Nacht nicht nach Hause gehen, einige Eingekesselte konnten nicht einmal zur Toilette, so der Schausteller. Wer den Polizeisperren über die Felder ausweichen wollte, sei von Greiftrupps zurückgetrieben worden, Hubschrauber hätten die Umgebung überwacht. „Als der Transport durch war, tönte ,We are the Champions‘ von einem Mannschaftswagen“, so Wittstamm.

Weil die Castor-Strecke direkt am Ortsrand vorbeiführt, war Laase für die Polizei schon immer ein kritischer Punkt. In den Jahren vor 2003 hatten sich Aktivisten der Anti-Atom-Bewegung „X-tausendmal quer“ dort zur Sitzblockade versammelt. „An dem Tag haben wir uns jedoch, wie öffentlich angekündigt, im Nachbarort Grippel getroffen“, so Jochen Stay, Sprecher von X-tausendmal quer. Er kritisiert das pauschale Versammlungsverbot, das die Polizei ohne genauere Prüfung über mehrere Ortschaften verhängt habe.

„Für uns ist schwer zu differenzieren, wer protestieren will und wer im Ort wohnt,“ sagt Christine Röttgers von der Lüneburger Polizeidirektion. Man könne darüber streiten, ob geringere Maßnahmen in diesem Fall ausreichend gewesen wären. Für künftige Polizei-Einsätze hat das Urteil laut Röttgers wenig Relevanz. Beim nächsten Castor-Transport Mitte November sei sowieso alles wieder anders. SIB