: Jülich spaltet wieder
Das Land hält an Atomforschung fest: Im Jülicher Forschungszentrum sollen drei neue Professoren eingestellt werden. Mitarbeiter fordern ein Eingreifen des Bundesumweltministers
VON MORITZ SCHRÖDER
Am Sonntag wird das Forschungszentrum Jülich (FZJ) 50 Jahre alt. Pünktlich zum Jubiläum kündigt Landes-Forschungsminister Andreas Pinkwart (FDP) neue Investitionen für die dortige Atomforschung an. Drei Professorenstellen für die Bereiche atomare Sicherheitsforschung, Reaktortechnik, Strahlenschutz und nukleare Entsorgung sollen an der Hochschule RWTH Aachen wiederbesetzt werden, wie das Ministerium gestern mitteilte. Die technische Hochschule in Aachen ist an der Kernforschung in Jülich beteiligt. Mit den Wissenschaftlern sollen drei Professoren ersetzt werden, die in den kommenden drei Jahren in Jülich emeritiert werden. Eine Arbeitsgruppe des FZJ-Aufsichtsrats beschäftigt sich aktuell mit der Zukunft der Kernforschung.
Offenbar hat sich der Minister aus Düsseldorf mit seinen Forderungen im Aufsichtsrat durchgesetzt, die Kernforschung in Jülich weiterhin zu finanzieren. Auch die Landesregierung steht hinter ihm, die in ihrer kürzlich beschlossenen Innovationsstrategie auch den Punkt „Revitalisierung der Kernenergie- und Sicherheitsforschung“ aufnahm.
Pinkwart hatte befürchtet, dass mit den Professoren auch die Erfahrungen der NRW-WissenschaftlerInnen in Sachen Atomforschung schwinden: „Ich möchte, dass die Option Kernenergie mit erforscht bleibt, damit wir diese Kompetenz nicht an andere Länder abgeben“, sagte Pinkwart in einem Interview mit dem WDR-Hörfunk Ende Juni. In Jülich ist das Programm THTR („Thorium-Hochtemperatur-Reaktor“) bereits 1988 ausgelaufen. Momentan werden dort nur noch die strahlenden Graphitkugeln aus dem ehemaligen Reaktor untersucht. Länder wie China zeigen inzwischen großes Interesse an der Technik. Südafrika baut zurzeit mit Hilfe aus Jülich eine umstrittene THTR-Anlage.
Nach jahrelanger Kritik an der Forschungsarbeit in Jülich fürchten nun sogar MitarbeiterInnen des FZJ, dass es bei den neuen Projekten nicht nur um die Reaktorsicherheit und Entsorgungstechnik geht. Sie verbinden mit dem aktuellen Entschluss einen erneuten Einstieg des Landes in die Atomenergieforschung: Minister Pinkwart wolle „den Grundstock für ein Wiedererstarken der THTR-Forschung legen“, so die Kritik in einem Schreiben zum Jubiläum des Forschungszentrums, das der taz vorliegt. Auch Dirk Jansen vom Bund für Umwelt- und Naturschutz in NRW kritisiert: „Mit der Fortführung der Forschung wird die Reaktortechnik durch die Hintertür wieder salonfähig gemacht.“
Die Jülicher MitarbeiterInnen fordern in ihrem Brief außerdem, dass sich Bundes-Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) in der Debatte klar gegen weitere Kernforschung in NRW ausspricht. Sein Ministerium ist im Aufsichtsrat allerdings nicht vertreten. Ein Sprecher Gabriels bestreitet jede Zuständigkeit und erklärt sogar: „Forschungsreaktoren sind vom Atomausstieg nicht betroffen.“