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Archiv-Artikel

nachruf Stachel im Fleisch der DAX-Konzerne

Er hatte in das Restaurant hoch droben im Berliner Funkturm geladen, als ich ihn das erste Mal traf. Henry Mathews wollte hoch hinaus mit seinen Kritischen Aktionären, und das ist ihm auch gelungen. Er gilt als Erfinder des Dachverbands der Kritischen Aktionäre (DKA), den er zu dem machte, was er heute ist: eine von Dividendenzahlungen unabhängige Stimme, die sich lautstark in die Vorstandspolitik der großen Konzerne einmischt.

Mathews und seinen Mitstreitern geht es keineswegs um eine Mehrung des Profits, sondern um den volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen der DAX-Unternehmen. Wer das für „links“ hält, lief beim Bürger Mathews nicht ins Abseits.

„Davids“ konzernkritisches Engagement begann im Streit mit Pharma-„Goliath“ Schering. In der Folge wurde Mathews Geschäftsführer der legendären Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) und übernahm 1993 die Leitung der Geschäftsstelle des DKA in Köln. „Henry war nicht nur ein guter Organisator und Verwalter, er war auch ein politisch denkender Mensch, der gut schreiben und sich öffentlich gut artikulieren konnte“, beschreibt ihn DKA-Vorstandskollege Paul Russmann. „In dieser Kombination findet man das selten.“ Mathews, der nebenbei im Vorstand des Bundesverbands BI Umweltschutz (BBU) für seine gute Sache schuftete, nötigte selbst Gegnern Respekt ab. Konzernchefs wie Ex-Deutsche-Bank-Boss Hilmar Kopper („Peanuts“) sollen in stiller Stunde beim Bier schon mal ein achtungsvolles Wort für den Widerpart gefunden haben.

Ihm war das nicht egal, aber vor allem freuten ihn die wachsende mediale Präsenz und das zunehmende wirtschaftspolitische Gewicht des DKA. Dies ist Mathews Dividende. Noch vor zehn Jahren wurden Kritische Aktionäre bei Aktionärsversammlungen als seltsame Spinner belächelt. Heute sind sie Teil des schrillen Machtspiels der Hauptversammlungen.

Der gebürtige Berliner hatte bereits eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner hinter sich, bevor er als Journalist bei der alternativen Stadtzeitung Klenkes in Aachen anfing. Womöglich war es der falsche Beruf, den Mathews doch bis zuletzt immer als seinen ansah, denn Unparteilichkeit war nicht sein Ding, um Gerechtigkeit ging es ihm und die verträgt Neutrales nur schwer.

Mathews, der mit 40 Jahren starb, wird morgen beerdigt. Einen Monat nach seinem Tod hat sich „sein“ Dachverband noch nicht auf die neue Situation eingestellt: „In dringenden Fällen erreichen Sie unseren Geschäftsführer Henry Mathews unter folgender Telefonnummer …“, heißt es weiterhin auf dem Anrufbeantworter.

HERMANNUS PFEIFFER