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Archiv-Artikel

„Verzicht ist unser Erfolg“

Unternehmen wollen meistens irgendetwas maximieren: den Gewinn, den Umsatz oder die Kapitalrentabilität. Klaus Dieter Trayser, überzeugter Christ und Gründer der Vermögensberatung Plansecur, predigt das genaue Gegenteil

INTERVIEW FELIX ROHRBECK

taz: Herr Trayser, vor über 20 Jahren waren Sie Vorstandssprecher einer großen Finanzberatung, verdienten eine Viertelmillion Euro im Jahr und hatten einen Dienstwagen mit Chauffeur. Trotzdem stiegen Sie aus. Warum?

Klaus Dieter Trayser: Eine der Konzernregeln damals lautete: 95 Prozent der Menschen sind bestechlich – und bei den anderen 5 Prozent kommt es auf den Preis an. Mit anderen Worten: Alles lässt sich durch Geld erreichen. Ich aber wollte ungespalten Christ sein, meine Werte also nicht nur in der Familie oder im Freundeskreis, sondern auch im Beruf leben. Ich bat damals einen engen Freund von mir, mich für einige Zeit auf der Arbeit zu begleiten. Er tat das dann auch – unter der Bedingung, dass ich mein normales Programm absolviere und er überall, also auch bei Vorstandstreffen, dabei sein kann. Nach zwei Tagen, in denen er mir auf Schritt und Tritt gefolgt war, teilte er mir sein Fazit mit: „Klaus Dieter, Du kannst ein Piratenschiff nicht nach den Regeln der christlichen Seefahrt steuern. Du musst Dir ein neues Schiff suchen!“

Wie haben Sie auf diesen Ratschlag reagiert?

Ich empfand es zunächst als Unverschämtheit, das Unternehmen, das ich mit aufgebaut hatte, ein Piratenschiff zu nennen. Aber er hatte recht. Ich konnte meine Leute an Deck rufen und ihnen meine ethischen Grundsätze predigen – hinterher unter Deck machten sie doch weiter wie bisher. Damals wurde mir klar, dass es eines anderen Unternehmens mit anderen Rahmenbedingungen bedurfte. Ich habe meine Ideen dazu dem Aufsichtsrat präsentiert. Als dieser ablehnte, bin ich von Bord des Piratenschiffes gegangen.

Anstatt sich aber ein neues Schiff zu suchen, bauten Sie lieber gleich Ihr eigenes. Sie gründeten die Plansecur, eine Vermögensberatung, die auf einer „Ethik des Verzichts“ beruht. Was muss man sich darunter vorstellen?

Zum Beispiel den Verzicht auf Macht und Besitz. Ich habe damals bewusst darauf verzichtet, mir die Mehrheit am Unternehmen zu sichern. Ich wollte, dass nicht nur die Gründer, sondern jeder erfolgreiche Berater Gesellschafter werden kann. Heute gehört das Unternehmen überwiegend den Beratern. Sie halten 74 Prozent des Gesellschaftskapitals. Verzicht bedeutet aber auch, dass wir im Gesellschaftervertrag festgelegt haben, jährlich ein Prozent unseres Umsatzes für karitative Zwecke auszugeben. In schlechten Jahren kann das schon mal die Hälfte des Gewinns oder mehr sein. Doch das soziale Engagement gehört bei uns zum Fundament des Unternehmens und kann in schlechten Zeiten ebenso wenig gekürzt werden wie die Miete oder andere betriebsnotwendige Ausgaben.

Ist es nicht etwas schizophren, sich hauptberuflich damit zu beschäftigen, vermögende Menschen noch vermögender zu machen, um dann am Ende des Jahres etwas Geld für soziale Zwecke zu spenden?

Ich sehe das anders. Wir haben es von Berufs wegen mit Leuten zu tun, die mehr Geld einnehmen, als sie ausgeben. Das ist unsere Klientel. Es gibt aber auch Menschen, die ohne fremde Hilfe gar nicht existieren können. Und dieser Teil der Wirklichkeit soll für uns nicht ausgeblendet werden. Im Übrigen haben wir immer nur dann Geld gegeben, wenn sich unsere Mitarbeiter auch persönlich eingebracht haben. Wir wollen den Rollstuhl nicht nur finanzieren, wir wollen ihn auch schieben.

Was unterscheidet die Plansecur – neben der Beteiligung der Mitarbeiter und dem sozialen Engagement – noch von anderen Vermögensberatungen?

Im Mittelpunkt unserer Beratung steht der Mensch, seine Wünsche, seine Ziele und seine Bedürfnisse – nicht die Optimierung der Provision. Natürlich müssen auch wir im rauen Wettbewerb der Branche überleben. Aber ich glaube daran, dass es sich langfristig auszahlt, nicht das Äußerste herauszuholen. Ich habe es mehrfach erlebt, dass Kunden oder Geschäftspartner in schwierigen Zeiten zu uns gehalten haben, weil sie sich von uns als Mensch wertgeschätzt fühlten. Insofern ist auch hier Verzicht die Grundlage unseres Erfolges.

Lange Zeit wurden Sie für diese Einstellung von anderen Wirtschaftsführern belächelt. Nun aber haben Werte, so scheint es, wieder Konjunktur in der Wirtschaft. Unternehmen entwickeln Wertekataloge, und Manager reden von „Corporate Social Responsibility“. Was sind die Ursachen dieser Werte-Renaissance?

In der Vergangenheit haben wir immer mehr Arbeit auf Maschinen übertragen. Selbst das Denken haben wir zunehmend den Computern überlassen. Und weil es nur auf die Höhe des Outputs ankam, wurden auch die Mitarbeiter auf Effizienz und Effektivität getrimmt, letztlich wie Maschinen behandelt. Heute aber leben wir in einer Wissensgesellschaft und sind darauf angewiesen, Wissen miteinander zu vernetzen und zu verknüpfen. Dafür bedarf es Menschen, die selbstständig arbeiten können und dennoch miteinander verbunden sind – über eine gemeinsame Unternehmenskultur, ein Wertefundament.

Bei der Plansecur sind die Werte von Anfang an Teil des Unternehmens gewesen. Große Konzerne dagegen, die bislang ausschließlich auf den Gewinn geachtet haben, versuchen nun sich nachträglich ein Wertegerüst zu geben. Kann das gelingen?

Ja. Wenn die Unternehmensführung die Werte wirklich aus Überzeugung vorlebt und die Mitarbeiter das spüren. Aber meist ist es eher so, dass irgendeine Unternehmensberatung sich etwas ausdenkt und das Konzept dann schnell wieder in der Schublade verschwindet. Ganz nach dem Motto: Gedacht, gelesen, gelacht, gelocht.

Nach einer aktuellen Studie der Stiftung Wertevolle Zukunft genießen große Wirtschaftsunternehmen im Vergleich mit anderen Institutionen wie den Kirchen, Behörden, der EU oder der Bundesregierung mit Abstand am wenigsten Vertrauen in der Bevölkerung.

Die Konzernleitungen haben heute überhaupt keine Verbindung mehr zur Basis. Wenn Zweigstellen geschlossen werden, obwohl aufgrund des Einsatzes der Mitarbeiter schwarze Zahlen geschrieben werden, ist die Geschäftsführung oft gar nicht vor Ort. Es wird vom Schreibtisch aus allein nach den Zahlen entschieden. So etwas wirkt natürlich herzlos – und schafft nicht gerade Vertrauen in der Bevölkerung.

Warum handeln Manager so? Haben die keine Werte?

Doch, privat schon. Aber Sie haben sich daran gewöhnt, diese im Berufsalltag zu ignorieren. Nachwuchsführungskräfte berichteten häufig, dass sie als Erstes lernen, dass man im Unternehmen nicht ehrlich sein darf. Denen wird sofort gesagt, wie man eine Reisekostenabrechnung türkt oder eine Rendite künstlich hochrechnet.

Dabei hat die oben genannte Studie ergeben, dass der Wert Ehrlichkeit in Deutschland als besonders wichtig empfunden wird.

Ja, das ist schizophren, gespalten. Aber diese Gespaltenheit lässt sich ja häufig beobachten. Mitarbeiter, die sich privat in Vereinen engagieren, machen im Unternehmen Dienst nach Vorschrift.

Mit der Plansecur wollten Sie ein Unternehmen schaffen, in dem Christen ungespalten arbeiten können. Dürfen denn eigentlich auch Nicht-Christen bei der Plansecur arbeiten?

Wir wollten unsere Rahmenbedingungen so gestalten, dass Christen und Nicht-Christen – ich sage manchmal auch: Noch-Nicht-Christen – sich bei uns wohlfühlen. Verbindliche Leitlinien, die den Menschen als Geschöpf Gottes in den Mittelpunkt stellen, werden auch von Menschen gesucht, die nicht fest im Glauben verankert sind. Die Plansecur ist auch kein christliches Unternehmen – so etwas gibt es meiner Meinung nach so wenig, wie es christliche Zahnbürsten gibt. Menschen können Christen sein, Unternehmen nicht. Aber sie können nach christlichen Maßstäben geführt werden. Deswegen besteht die Geschäftsführung bei uns aus bekennenden Christen.

Sie selbst haben sich 2004 aus der Geschäftsführung der Unternehmensgruppe zurückgezogen und leiten heute die Plansecur-Stiftung, die das soziale Engagement der Plansecur bündelt. Fiel Ihnen der Rückzug aus der operativen Geschäftsführung schwer?

Wenn ich etwas mache, dann mache ich es ganz oder gar nicht. Ich werde zum Ende des Jahres auch aus der Plansecur-Stiftung ausscheiden. Aber es stimmt schon: Ein Generationswechsel ist kein rein sachlicher Vorgang. Er berührt auch die Gefühle dessen, der loslassen muss.

Haben Sie keine Angst, dass die Plansecur nach Ihrem endgültigen Ausscheiden selbst eines Tages zu einem Piratenschiff werden könnte?

Nein. Um unsere Rahmenbedingungen auch in Zukunft zu sichern, wird die Plansecur-Stiftung meine Firmenanteile erben. Dadurch ist die Plansecur vor einem Börsengang oder einer Übernahme durch eine Bank oder Versicherungsgesellschaft geschützt. Ich kann also davon ausgehen, dass die Plansecur niemals zu einem Piratenschiff wird. Wir segeln weiter nach den Regeln der christlichen Seefahrt – und erbitten uns Gottes Segen für unser Handeln.