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Archiv-Artikel

Bürger sammeln gegen Rieger

Delmenhorst begehrt auf: Um den Kauf eines Hotels durch den Neonazi zu verhindern, wollen Bürger Geld und Unterschriften mobilisieren. Sie wollen die Stadt zum Kauf zwingen. Runder Tisch tagt

von JESSICA RICCÒ

Mit rechtlichen Mitteln kann Jürgen Rieger offenbar niemand aufhalten. Mit rechtstaatlichen Mitteln können die Delmenhorster aber vielleicht doch verhindern, dass der wegen Volksverhetzung vorbestrafte Neonazi-Anwalt aus Hamburg ein Hotel in der Stadt kauft, um dort ein Schulungszentrum zu errichten. Das ist das Ziel des Runden Tisches mit Vertretern von Stadt, Polizei und Innenministerium, der sich gestern erstmals traf. „Alle Behörden stehen Seite an Seite, um gemeinsam Flagge gegen den Rechtsextremismus zu zeigen“, sagte Oberbürgermeister Carsten Schwettmann (CDU). Delmenhorst ist aufgeschreckt, seitdem Rieger verkündete, er wolle ein seit gut einem Jahr leer stehendes Hotel für 3,4 Millionen Euro kaufen, um dort Veranstaltungen wie NPD-Parteitage abzuhalten. „Alle Fragen“ seien angesprochen worden, sagte Schwettmann, bis hin zum Kauf des 100-Betten-Hotels. Teilnehmer am Runden Tisch war auch ein Beamter aus der Verdener Kreisverwaltung. In Dörverden hatten die Behörden Rieger die Nutzung einer von ihm vor zwei Jahren erworbenen ehemaligen Kaserne, den Heisenhof, mit Auflagen erheblich erschwert.

Bürger der Stadt gründeten gestern die Bürgerinitiative „Für Delmenhorst“ und richteten ein Treuhandkonto ein, auf dem zweckgebunden Geld zum Kauf des Hotels eingezahlt werden kann. Alle Bürger, Firmen, Industriebetriebe oder Banken sollten mithelfen, sagte Gründungsmitglied Gerd Renker. Es gebe eine „Geld-Zurück-Garantie“, wenn es nicht zu dem Deal komme. Renker hofft, den erforderlichen Kaufpreis in 14 Tagen beisammen zu haben. „Wir wollen die Stadt zwingen, das Hotel zu kaufen.“ Die Stadt hatte vor Monaten noch abgelehnt, das Hotel zu kaufen – die Preisvorstellungen des Besitzers Günter Mergel sollen den eigentlichen Wert der Immobilie um das Doppelte überstiegen haben.

Auch das Bündnis „Keine Nazischule in Delmenhorst“ will mit einer Unterschriftenaktion den Verkauf an Rieger verhindern. Mehr als 100 Unterschriften seien bereits zusammen gekommen, sagte Sprecher Hartmut Rosch. Am Samstag will das Bündnis in der Innenstadt weitere Bürger mobilisieren. Laut Rosch wollen Hotelbesitzer Günter Mergel und Rieger den Vertrag am 14. August unterzeichnen.

Auch das Delmenhorster Wissenschaftskolleg ist entsetzt. In einem offenen Brief mahnte die Hochschule, die Stadt dürfe nicht mit rechten „Eliten“ anstatt wie bislang mit Forschungseliten in Verbindung gebracht werden. Insbesondere Gastdozenten aus dem Ausland würden durch ein rechtextremistisches Tagungszentrum abgeschreckt. Zudem bedrohe eine rechte Szene die Delmenhorster Bevölkerung mit Migrationshintergrund.

Am Montag um 18 Uhr referiert taz-Autor Andreas Speit im com.media, Lahusenstraße 25, bei der Veranstaltung „Nein zum Hotelverkauf an rechtsextreme Stiftung“