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Archiv-Artikel

Alltag ohne Strom

Klettert das Thermometer auf 40 Grad, kündigen Städte Notmaßnahmen an

„Die Politik des Gouverneurs lässt sich so zusammenfassen:Betet für milderes Wetter!“

VON MATT HERMANN

Die Energieversorgung in den USA erfährt dieser Tage wieder ihre Grenzen. Die Hitze treibt die Menschen möglichst in die Nähe ihrer Klimaanlagen. In vielen Städten von Kalifornien bis New York versagt erneut das Stromnetz.

Während die Temperaturen sich der Vierziggradmarke näherten, kündigte New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg eine Reihe von Notmaßnahmen an. So wurden 383 „Kühlzentren“ eingerichtet, vor allem für alte und arme Menschen. Die Stadtverwaltung forderte Unternehmen und Behörden auf, den Energieverbrauch, insbesondere Klimaanlagen, zu drosseln.

Nur zwei Wochen nachdem im New Yorker Stadtteil Queens 100.000 Menschen für zehn Tage ohne Strom waren, sollten diese Maßnahmen massive Stromausfälle wie Anfang Juli in Kalifornien verhindern helfen.

Der größte Stromversorger der Stadt, Con Edison, berichtete am Dienstag von einer Rekordstromnachfrage – ein harter Test für die oftmals ohnehin überlastete und veraltete städtische Energieversorgung. Das durchschnittliche Alter eines Kabels im Besitz von Con Edison Stromnetz beträgt 24 Jahre.

Was passiert, wenn Rekordhitze und Rekordstromnachfrage auf alternde Stromnetze treffen, konnten die New Yorker Stadtväter kurz zuvor in Kalifornien begutachten. Dort waren im Juli 765.000 Menschen für knapp zwei Wochen ohne Strom. Gouverneur Arnold Schwarzenegger verlangte zwar ähnliche Energiesparmaßnahmen wie nun auch Bürgermeister Bloomberg, mit einem Unterschied: Schwarzenegger erhob seine Forderungen erst, nachdem es bereits zu weitreichenden Stromausfällen gekommen war.

Für diese Verzögerung könnte er nun einen politischen Preis bezahlen. Zur Erinnerung: Schwarzeneggers Vorgänger Gray Davis wurde vor vier Jahren in einer spektakulären Neuwahl abgestraft, da die Wähler ihm vorwarfen, die schwerwiegende Energiekrise in dem Bundesstaat 2001 falsch eingeschätzt und zu spät mit den falschen Mitteln behoben zu haben.

Schwarzeneggers Rivale bei den anstehenden Gouverneurswahlen im November und Kaliforniens Finanzminister Phil Angelides nutzte denn auch die aktuellen Energieprobleme als Steilvorlage, um den Regierungschef anzugreifen. „Die Politik des Gouverneurs lässt sich zusammenfassen in vier Worten: Betet für milderes Wetter!“

Der demokratische Herausforderer Angelides moniert den mangelnden Willen Schwarzeneggers, die bundesstaatliche Energieversorgung seit der letzten Krise zu reformieren. Frustriert, dass die privaten Stromversorger zu wenig in moderne Kraftwerke und Leitungssysteme investieren, schlug er vor, öffentliche Gelder für diese Aufgabe einzusetzen. Diese sollten über kommunale Anleihen finanziert werden.

In New York, wo der öffentliche Druck geringer ist, da vergleichsweise wenige Bewohner auch nur eines Stadtteils betroffen waren, hat sich Bloomberg – der sich dem Wähler erst wieder 2009 stellen muss – bislang hinter die ansässigen Energieunternehmen gestellt. Diese haben seit dem katastrophalen Stromausfall 2003, der weite Teile des Nordostens lahmlegte, immerhin Anstrenungen unternommen, die Überwachung des Energiesystems zu verbessern.

Das tröstet Einwohner und Unternehmer des New Yorker Stadtteils Queens wenig, die tagelang keinen Strom hatten. Sie drängen den Stadtrat auf Entschädigungen gegenüber Con Edison für vergammelte Ware und Geschäftsausfälle. Das Unternehmen hat bislang 350 Dollar für betroffene Anwohner und 7.000 Dollar für Firmen angeboten, doch die Verluste seien weit höher, beklagen Geschäftsvertreter. So kreiste die Debatte über das anfällige Energiesystem in den USA vor allem um den Preis verdorbenen Fisches. Forderungen nach weitreichenden strukturellen Konsequenzen, die die fragile Energieversorgung stabiler machen, fallen bislang eher auf taube Ohren.