: Atom spaltet Jülich
Das Forschungszentrum Jülich will sich von der Atomforschung verabschieden. Doch das NRW-Wissenschaftsministerium blockiert diese Entscheidung im Jülicher Aufsichtsrat
VON MIRIAM BUNJES
Gegen den Willen seiner Mitarbeiter soll im Forschungszentrum Jülich weiter über Atomkraft geforscht werden. NRWs Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) hat einen Ausstiegsentschluss der ForscherInnen im Aufsichtsrat blockiert.
Das Forschungszentrum Jülich (FZJ) hat schon Anfang 2005 beschlossen, nicht mehr über Atomkraft zu forschen. Gelder der Helmholtz-Gemeinschaft, in deren Verbund die Jülicher forschen, werden zum diesem Thema nicht mehr beantragt, Brennelemente des Forschungsreaktors nicht nachbestellt. Die einzigen beiden Kernenergie-Professoren gehen demnächst in Pension. „In einem ausstiegsorientierten Land macht diese Forschung keinen großen Sinn mehr“, sagt Kosta Schinarakis, Sprecher des FZJ.
Das sieht NRWs atombegeisterter Wissenschaftsminister anders. Weil das FZJ zu zehn Prozent dem Land NRW gehört, haben Pinkwarts Staatssekretäre die Ausstiegsentscheidung im Aufsichtsrat des als GmbH organisierten Forschungszentrums blockiert. „Pinkwart versucht das FZJ zu Erhaltung und sogar zum Ausbau der Atomforschung zu zwingen“, schreiben Mitarbeiter des FZJ in einem anonymen Brief an die taz nrw. Sie zitieren aus einem Beschluss des Aufsichtsrates von Mitte Juni, in dem das FZJ aufgefordert wird, im Laufe des Sommers ein Konzept zu erarbeiten, „wie die AKW-Arbeiten, die vom Bund und Land für nötig gehalten werden, weitergeführt werden.“
Beatrix Vierkorn-Rudolph – für das Bundesforschungsministerium im Aufsichtsrat – bestätigt die Gründung einer Arbeitsgruppe, die „die Atomforschungskapazitäten in Jülich analysieren“ soll. Das CDU-geführte Bundesforschungsministerium hält 90 Prozent der Anteile des FZJ. „Wir werden in dieser Gruppe erarbeiten, in welcher Form die Atomforschungskompetenzen in Jülich genutzt werden können.“ Eine Entscheidung solle so schnell wie möglich herbeigeführt werden. „Sonst erledigt sich das Thema durch die Altersstruktur des Personals von selbst.“ Tatsächlich hat auch die RWTH Aachen entschieden, den Reaktortechniklehrstuhl, den sie für Jülich bereitstellt, nur weiterzuführen, wenn er von Sponsoren finanziert wird.
Wissenschaftsminister Pinkwart stellt sich Jülich als „Keimzelle“ eines neuen Atomreaktors vor, sagte er Ende Juni in einem Interview mit der Westfälischen Rundschau. Erst nach einem Rüffel des Bundesumweltministeriums ruderte er zurück. Er wolle keinen neuen Reaktor bauen. „Aber wir wollen die vorhandene Kompetenz im Bereich der Kerntechnologie und der Kernsicherheitsforschung erhalten und ausbauen“, schreibt er in einer Presseerklärung. Vor allem die Thorium-Hochtemperaturtechnologie (THTR) hat es dem Minister angetan. Als „zukunftsweisend“ lobt Pinkwart die Technik – deren einziger Praxistest in Hamm-Uentrop nach einer Pannenserie im Jahr 1989 mit einer Schließung endete.
Gerade mit dieser Technologie will das FZJ jetzt abschließen. „Wir machen schon kaum noch Atomenergieforschung und so gut wie keine THTR-Forschung mehr“, sagt Sprecher Schinarakis. „Das ist schließlich auch politisch so gewollt.“ Das von Sigmar Gabriel (SPD) geführte Bundesumweltministerium hält sich damit jedoch eher bedeckt. „Forschungsthemen werden von uns nicht zensiert“, sagt Gabriels Sprecher Thomas Hagbeck. „Nur einen neuen Forschungsreaktor wird es mit uns nicht geben.“