: Leihgaben
Halber Lohn für ganze Arbeit: Durch Auslagerung umgehen immer mehr Regionalzeitungen die Tarifbindung für fest angestellte JournalistInnen
Von Frieder Bechtel
Darf die Oldenburger Nordwest-Zeitung (NWZ) einen Teil ihrer Angestellten erheblich schlechter bezahlen als die restliche Belegschaft, oder ist das ein Verstoß gegen die Tarifautonomie? Diese Frage wird demnächst auch das Landesarbeitsgericht Hannover beschäftigen.
Etwa 30 Volontäre, Redakteure und Verlagsmitarbeiter der NWZ sind nicht mehr direkt beim Verlag angestellt, sondern werden von einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt. „Im Verlag machen sie exakt die gleiche Arbeit wie ihre fest angestellten Kollegen, bekommen dafür aber erheblich weniger Geld“, sagt Betriebsratschef Ulrich Janßen. Wie hoch die Einbußen genau sind, weiß er nicht, da die Leiharbeitsfirma keine Auskünfte gibt.
Bei vergleichbaren Fällen wie dem der Allgemeinen Zeitung in Mainz verdienen die Leihjournalisten etwa ein Drittel weniger, bei den Bremer Nachrichten fällt im Vergleich zu den fest angestellten Journalisten sogar rund die Hälfte des Einkommens weg. Und der Deutsche Journalistenverband weiß von weiteren Zeitungsverlagen, die mit Tricks die geltenden Tarifverträge unterlaufen: Göttinger Tageblatt oder Donaukurier sind nur einige Beispiele. Die vollständige Liste ist zu finden unter: www.djv.de/aktuelles/themen/tarifrunde_liste.shtml.
Nach Ansicht des Ver.di-Juristen Helmut Platow trägt der Gesetzgeber für diese Tarifflucht Mitschuld. Unter dem hehren Vorsatz, die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu erleichtern, lockerte der Bundestag 2002 die Regelungen für Arbeitnehmerüberlassung. Fürs gute Gewissen wurde die Gleichstellung der Leiharbeiter vorgeschrieben, sie müssen genauso bezahlt werden wie ihre fest angestellten Kollegen und auch ebenso viel Urlaub und Sonderleistungen erhalten. Die Ausnahme der Regel: Schließt die Leiharbeitsfirma für ihre Angestellten einen eigenen Tarifvertrag ab, gelten die dort vereinbarten Konditionen, egal, ob für die fest angestellten Kollegen ein besserer Tarifvertrag gilt.
Der Anwalt der NWZ, Christopher Melms, hat einen Leitfaden in der Zeitschrift Betriebs-Berater veröffentlicht, in dem er detailliert beschreibt, wie Firmen eine Leiharbeitsfirma gründen können, über die sie dann Arbeitskräfte an sich selbst ausleihen. Den Leiharbeitsfirmen gelang es, mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) einen Tarifvertrag mit sehr niedrigen Löhnen abzuschließen. Ver.di-Mann Platow kritisiert den Abschluss, räumt aber auch ein, dass der DGB wenig Spielraum hatte, da andere Gewerkschaften mit noch niedrigeren Tarifabschlüssen warben.
Im Fall der Nordwest-Zeitung argumentieren Platow und Betriebsrat Janßen, der Arbeitgeber habe die Leiharbeit gezielt einführt, um die Tarifverträge der Branche systematisch zu umgehen, immerhin sind mittlerweile von 17 Volontären 13 Leiharbeiter. „Deshalb meinen wir, dass das ein Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer nach dem Grundgesetz ist, auf der die Tarifautonomie fußt“, sagt Janßen. Obwohl er den Prozess in erster Instanz bereits verloren hat, glaubt er an einen Sieg in der Revision und hofft, damit der journalistischen Leiharbeit bundesweit ein Ende zu setzen.
Auch der Betriebsratschef der Allgemeinen Zeitung, Hermann Frühauf, will dagegen klagen: „Wir wollen die Einstellung der Leute ja nicht verhindern, sondern nur erreichen, dass sie zu vernünftigen Bedingungen arbeiten.“ Er meint, die Zeitungen würden sich mit ihrer Praxis langfristig selbst schaden: „Mit so einer schlechten Bezahlung wird es sehr schwierig, qualifiziertes Personal langfristig zu halten.“
Andererseits ist der Arbeitsmarkt für Journalisten schwierig, sodass sich mancher über jeden Job freut, und sei er noch so schlecht bezahlt. Die Leihjournalisten der Bremer Zeitung etwa haben die Gewerkschaft angewiesen, nichts gegen das Lohndumping zu unternehmen. Wenn es um den eigenen Job geht, sind der kollegialen Solidarität wohl enge Grenzen gesetzt.