: „Coca-Cola weiß seit Jahren Bescheid“
Bei den Abfüllern von Coca-Cola in Kolumbien werden weiter Gewerkschafter verfolgt, sagt Schriftsteller Raul Zelik
taz: Herr Zelik, Coca-Cola gibt sich gerade sehr gesprächsbereit. Stellt sich das Unternehmen endlich der Kritik an seinem Geschäftsverhalten?
Raul Zelik: Coca-Cola versuchte nur, einen Imageschaden während der WM abzuwenden. Das Unternehmen hat deshalb auch mit uns Gespräche geführt und angekündigt, seine Unternehmenspolitik neu auszurichten. Das ist aber alles nur Schall und Rauch. Die Lage in Kolumbien hat sich sogar noch verschärft. Es gab erneut Morddrohungen gegen Cola-Gewerkschafter.
Das Unternehmen bestreitet, für Morde an Gewerkschaftern in Kolumbien verantwortlich zu sein.
Wir können unsere Vorwürfe einwandfrei belegen. In einer kolumbianischen Stadt ist zum Beispiel ein Gewerkschafter von Paramilitärs erschossen worden, die auf der Gehaltsliste eines Abfüllers von Coca-Cola standen. Die Zentrale in Atlanta weiß seit 1996 von diesen unglaublichen Verletzungen von Menschenrechten und geht trotzdem nicht dagegen vor. Stattdessen wurden die Gewerkschafter in Kolumbien mit Klagen überzogen, damit sie ihre Vorwürfe zurückziehen.
Stehen auch heute noch Paramilitärs auf den Gehaltslisten von Coca Cola oder seinen Subunternehmen?
Eine systematische Praxis ist schwer nachzuweisen. Aber auch für die vergangenen Jahre lässt sich belegen, dass es Treffen zwischen Unternehmensleitungen der örtlichen Abfüller und Paramilitärs gab.
Coca-Cola argumentiert, dass in seinen Betrieben in Kolumbien mehr Arbeiter gewerkschaftlich organisiert sind als im Landesdurchschnitt.
Das ist aber keine Errungenschaft des Unternehmens. Sinaltrainal und andere Gewerkschaften haben es in den letzten Jahren geschafft, die Mehrheit der Arbeiter zu organisieren – trotz der Verfolgung. Allgemein hat Coca-Cola nichts gegen Gewerkschaften. Solange es „gelbe“ Gewerkschaften sind, von Gnaden des Konzerns und der Paramilitärs. Die unterstützen sie dann, wenn die alte Gewerkschaft aufgegeben hat.
Das Studierendenparlament der Uni Köln hat sich dem Boykott angeschlossen. Kommt das nicht zu spät? Das Unternehmen lässt die Vorwürfe doch von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) untersuchen.
Warum kam das wohl gerade jetzt? Coca-Cola weiß seit zehn Jahren Bescheid. Das diente nur dazu, alles hinauszuzögern, damit während der WM Ruhe ist, die Cola sponsorte. Außerdem ist die ILO nicht unabhängig. Dort sitzen ein Vertreter von Coca-Cola, nämlich Ed Potter, sowie Vertreter der Internationalen Nahrungsmittelgewerkschaft IUF. Die Gewerkschaft, die Kolumbien in der IUF vertritt, ist eine „gelbe“ Gewerkschaft. Es ist eine Farce, wenn ausgerechnet deren Vertreter über die Zusammensetzung der ILO-Kommission entscheiden, die die Vorwürfe gegen Coca-Cola untersuchen soll.
Sie besuchen Kolumbien seit 1985 regelmäßig. Was sind Ihre Eindrücke von vor Ort?
Der gewerkschaftliche Organisationsgrad geht zurück. Die Leute von Sinaltrainal haben Mordanschläge und Entführungen hinter sich. Solche Fälle gibt es dort zu dutzenden. Es ist unglaublich: Der Konzern gibt Millionen für diese Weltmeisterschaft aus, ist aber nicht bereit, die Verfolgung von Gewerkschaftern in Kolumbien einzustellen und Entschädigungen an die Opfer zu zahlen und einen Verhaltenskodex mit Sinaltrainal zu vereinbaren. Das wäre keine große Sache, da geht es um rund 5.000 Arbeiter. Wenn das passiert, stellen wir unsere Kampagne übrigens gerne sofort ein.
INTERVIEW: DIRK ECKERT