: Betriebsräte bei Enercon unerwünscht
Wer bei Deutschlands führender Windenergie-Firma eine Arbeitnehmervertretung gründen will, muss mit Versetzung oder Kündigung rechnen. Metall-Gewerkschafter kritisieren: Bei den 8.000 Mitarbeitern weltweit „regiert das Prinzip Angst“
VON HANNES KOCH
Manche Dinge, so möchte man annehmen, passieren in Deutschland nicht mehr. Zum Beispiel, dass Beschäftigte gekündigt werden, weil sie einen Betriebsrat gründen. Bei Enercon, dem führenden deutschen Hersteller von Windenergie-Anlagen mit Sitz in Aurich, ist die alte Zeit jedoch noch nicht vorbei. In dem Unternehmen kommt es immer wieder zu Kündigungen, Versetzungen und anderen Repressalien gegen Beschäftigte, die ihre gesetzlichen Rechte in Anspruch nehmen.
Im Sommer 2004 entschlossen sich fünf Beschäftigte der zu Enercon gehörenden Firma Windturbinen Alzey, einen Betriebsrat zu gründen. Das Unternehmen habe von Beginn an keinen Zweifel daran gelassen, dass dies nicht erwünscht sei, sagt Grit Rolke von der Industriegewerkschaft Metall in Mainz. „Noch in der Zeit der Vorbereitung zur Betriebsratswahl wurden die Arbeitsverhältnisse mit zwei der fünf Kollegen beendet“, so Rolke. Weil sie bei Enercon keine Zukunft mehr für sich sahen, stimmten die Entlassenen einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht zu und suchten sich andere Arbeitsplätze. Das Unternehmen selbst will zu den Anfragen der taz keine Stellung nehmen.
Fast jede zweite Windanlage in Deutschland stammt von Enercon, 8.000 Menschen beschäftigt die Firma nach eigenen Angaben weltweit. Eine der größten Niederlassungen liegt in Magdeburg – und auch dort wurden Beschäftigte drangsaliert. Nachdem bei einer örtlichen Enercon-GmbH ein Betriebsrat gewählt worden war, versetzte die Firma zwei der Kandidaten in einen anderen Tochterbetrieb. In einem Fall hatte die Klage vor dem Arbeitsgericht Erfolg: Der Mitarbeiter durfte auf seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren.
„Betriebsräte sind bei Enercon nicht gerne gesehen“, sagt Wolfgang Rhode vom Vorstand der IG Metall. Das gilt nicht nur für die deutschen Werke der Windfirma. Am 20. Mai 2005 berichtete die taz über die Entlassung von aktiven Gewerkschaftern im Enercon-Werk der türkischen Stadt Izmir. Derartige Repressalien sind sowohl nach deutschem als auch nach internationalem Recht verboten.
Aber es gibt auch andere Stimmen. „Enercon hält das Betriebsverfassungsgesetz genau ein“, sagt ein gewählter Betriebsrat der Enercon-Tochter Aero. „Unser Verhältnis zur Firmenleitung ist freundschaftlich.“ Behinderungen von Gewerkschaftern seien ihm nicht bekannt. Solche Einschätzungen interpretieren Mitarbeiter der IG Metall in Aurich so: „Bei Enercon regiert das Prinzip Angst.“ Durch gezielten Druck auf einzelne Mitarbeiter versuche die Firmenleitung die Organisierung der Beschäftigten zu verhindern. Und meistens sei Enercon dabei erfolgreich: Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit von 13 Prozent in Aurich und 20 Prozent in Magdeburg wollten nur die wenigsten Mitarbeiter ihren Job riskieren.
Ökologisch, aber unsozial – diese Unternehmenspolitik ist ein Markenzeichen von Enercon-Chef Aloys Wobben. Einerseits ist Wobben ein Star und Visionär der sauberen Energiegewinnung. Vor Jahrzehnten schon, als fast keiner an Windenergie glaubte, hat er anfangen, kleine Windräder zu entwickeln. Aber Wobben gilt auch als Eigenbrötler und Querkopf. Gewerkschaften kann er nicht ausstehen.
Enercon scheint eine Ausnahmeerscheinung unter den Öko-Betrieben zu sein. In anderen großen Unternehmen der Branche gibt es funktionierende Betriebsräte, so etwa bei der Solon AG in Berlin. Aber ein genauerer Überblick fehlt. Selbst das gewerkschaftliche Forschungsinstitut WSI in Düsseldorf kann nicht weiterhelfen. Fest steht eines: Mittlerweile halten Manager anderer Öko-Firmen für rufschädigend, was bei Enercon passiert.