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Archiv-Artikel

„Es gibt kein Grau“

Arne Friedrich, der Rechtsverteidiger der Nation, wehrt sich vehement gegen sein Image als Unsicherheitsfaktor der deutschen Viererkette und meint: „Am zweiten Tor habe ich keine Schuld“

INTERVIEW MARKUS VÖLKER

taz: Herr Friedrich, Sie haben nach dem Eröffnungsspiel schlechte Noten bekommen. Ein Problem für Sie?

Arne Friedrich: Ich bin zum ersten Mal in der Situation, so hart kritisiert zu werden. Das ist Neuland für mich. Ich kann mir wirklich Schöneres vorstellen als die momentane Situation.

Wie gehen Sie damit um?

Es gibt genügend Menschen, die zu mir halten, meine Familie, die Freundin, Freunde. Und ich bekomme das Vertrauen vom Trainer. Dieses Vertrauen werde ich zurückzahlen. Außerdem hatten wir jetzt einige Tage Zeit, um uns auf andere Dinge als Fußball zu konzentrieren und den Kopf freizukriegen.

Und: Ist der Kopf frei?

Na ja, es ist ärgerlich, dass wir gegen Costa Rica zwei Tore kassiert haben, aber wir haben ja auch gewonnen. Das zählt.

Haben Sie bei den Gegentoren überhaupt falsch gestanden? Der Außenverteidiger auf der ballabgewandten Seite soll ja – so wurde es jedenfalls trainiert – tiefer stehen und die Viererkette ohnehin nicht auf einer Linie.

Ja, genau. Trotzdem nehme ich das erste Tor auf meine Kappe. Das zweite Tor war Abseits, da habe ich keine Schuld dran. Die drei anderen in der Viererkette haben entschieden, einen Schritt vorzugehen, und ich habe den Moment verpasst. Trainiert wurde aber, dass wir, wenn der ballführende Spieler des Gegners auf uns zuläuft, zurückweichen. Dadurch können wir die Bälle in unseren Rücken abfangen und verhindern, dass es überhaupt zur Abseitsfalle kommt. Es gab gegen Costa Rica deshalb Abstimmungsschwierigkeiten. Das war nicht in Ordnung. Wir müssen uns noch verbessern.

Sie hätten also erwartet, dass die Kollegen nach hinten gehen?

Ja, aber sie haben sich anders entschieden. Im Endeffekt hätte ich schon mit rausgehen müssen. Das habe ich ja auch versucht, nur eben zu spät.

Sie sind der Sündenbock.

Gut, ich werde im Moment sehr hart kritisiert, aber da muss ich durch. Ich habe schon oft gezeigt, warum ich in der Nationalmannschaft spiele.

War denn die Abwehr allein schuld?

Wenn der Gegner in der Abwehr und im Mittelfeld frei herumspielen kann, ist es für uns hinten nicht einfach.

Die Viererkette arbeitet an einer unglaublich wichtigen Nahtstelle. Hier entscheiden oft Sekundenbruchteile über das richtige Stellungsspiel.

Es sind Bruchteile einer Sekunde, das stimmt, deshalb macht man es sich auch ein bisschen leicht, zu sagen, ich hätte dieses oder jenes machen sollen. Aber noch einmal: Ich nehme das Gegentor auf meine Kappe, weil ich das Abseits aufgehoben habe.

Die Kritik an Ihnen ist allerdings nicht neu. Sie ging bereits im Trainingslager in Genf los.

Das habe ich nicht ganz verstanden, die Vorbereitung lief insgesamt gut für mich. So war auch das Feedback der Trainer.

Und was sagen die?

Gegen Japan habe ich in der WM-Vorbereitung ein Spiel ausgesetzt, weil ich müde vom Training war. Die Trainer haben mir danach gesagt, dass ich mir deshalb keine Gedanken machen sollte, ich hätte weiter den Stellenwert. Das ist schon eine Aussage.

Ihre Situation kann man mit der von Robert Huth beim Confed-Cup vergleichen, als der damalige Profi des FC Chelsea scharf kritisiert wurde – am Anfang der Mini-WM.

Ja. Und er hat genau wie ich auf die Menschen gehört, die ihm nahe stehen, und danach ein sehr gutes Turnier gespielt. Er ist sogar Publikumsliebling geworden. Dieses Turnier hat gerade erst angefangen und ich denke, alles wird sich legen.

Dabei könnte Ihnen so ein Tor helfen, wie es Philipp Lahm geschossen hat. Oder?

So ist es eben: Für den einen läuft es. Der andere muss dagegen mit kritischen Dingen kämpfen. Ein Tor für mich wäre schön, aber was hilft es, wenn man ein Traumtor schießt und hinten zwei Gegentore kassiert. Für eine Abwehr ist es immer gut, wenn man zu null spielt. Wenn man ein Spiel zu null gewinnt, sieht jeder gut aus.

Sie sagen, dass Sie das Vertrauen der Trainer haben. Aber können Sie sicher sein, dass nicht Torsten Frings oder Bernd Schneider auf Ihre Position rücken?

Das wird man sehen, die Entscheidung liegt beim Trainer. Ich werde mich im Training und im Spiel weiter anbieten. Jetzt über mögliche Alternativen nachzudenken, das ist verlorene Zeit.

Lesen Sie noch Zeitungen?

Nein, als die Kritik anfing, habe ich damit aufgehört. Ich weiß doch, wie es läuft. Ich habe mit 27 Jahren auch schon einiges durchgemacht. In den Medien gibt es kein Grau, nur Schwarz und Weiß.

Wie bekommen Sie die Kritik mit?

Das kommt über die Familie. So weiß ich, wie die Grundstimmung ist.

Aber Sie sprechen ja gerade mit der Presse. Sie schotten sich also nicht komplett ab.

Man muss sich der Kritik stellen, egal ob es gut oder schlecht läuft.

Zum Beispiel mit einem guten Spiel gegen Polen.

Ich erwarte, dass wir das Spiel gewinnen. Die sind schlecht gestartet und haben den Druck. Und wir selbst können schon einen riesigen Schritt Richtung Achtelfinale machen.

Wie wollen Sie spielen?

Ich werde versuchen, die Taktik des Trainers umzusetzen. Ich bin jemand, der immer alles richtig machen will. Ich weiß, dass solche Fehler nicht passieren dürfen und dass ich anders spielen kann. Jetzt muss ich alles ausblenden, was von außen kommt, und mich auf mich konzentrieren.

Sieht die Mannschaft das genauso? Fußball ist bekanntlich ein permanenter Konkurrenzkampf.

Wir sind eine Einheit, ehrlich. Egal, ob jemand gut oder schlecht spielt, wir helfen uns gegenseitig. Es gibt die absolute Rückendeckung für jeden Spieler, egal was noch kommt. Und das ist kein Gerede, das ist Fakt.

Wirklich?

Jeder von uns weiß, was der andere kann, da muss man nicht auf bestimmten Dingen rumreiten. Es wird alles ein bisschen zu sehr dramatisiert.

Musste der Teampsychologe ran?

Ich bin ja nicht durch den Wind. Der Psychologe ist zwar für alle ansprechbar und ich halte ihn auch für wichtig. Ich habe aber meine Familie, mit der ich darüber sprechen kann, das reicht mir. Ich kenne meine Stärken. Ich werde das wieder hinbekommen. Das Blatt wird sich wenden.