: Schon Staub gewischt?
Wenn Besuch kommt, möchten Familien sich im blitzeblanken Wohnzimmer von ihrer besten Seite zeigen. Dumm nur, wenn einer ausschert – wie Exregierungssprecher Uwe-Karsten Heye
VON MARTIN REICHERT
Wenn sich Besuch ankündigt, zumal weit gereister, räumt man das Wohnzimmer auf, putzt das Badezimmer und kauft mehrere Sorten weltweit unbestritten berühmt-gutes Brot ein, um auch den positiven stereotypen Erwartungshaltungen nichtdeutscher Gäste zu entsprechen. Man möchte, dass sich der Gast wohl fühlt, und man selbst möchte einen möglichst guten Eindruck hinterlassen. Unter Umständen gehört dazu eben auch der Hinweis: Bitte im Bad die Spülung nur kurz betätigen, sonst bleibt sie hängen. Oder auch: Den Balkon im Ostflügel bitte nicht benutzen, sonst stürzt du womöglich ab. Auch wenn es noch so peinlich ist: Es handelt sich um kleine Sicherheitshinweise, die mitzuteilen zu den selbstverständlichen Pflichten des Gastgebers gehören – schließlich gibt sich der Gast vorübergehend in seine Obhut und vertraut ihm.
Uwe-Karsten Heye, Exregierungssprecher und Vorsitzender des Vereins „Gesicht zeigen“, hat die Gäste, ausländische WM-Touristen, über Deutschlandradio Kultur darauf hingewiesen, dass es für Menschen mit anderer Hautfarbe gefährlich sein könne, in gewisse kleinere und mittlere Städte Brandenburgs zu gehen. Die meisten der Adressaten werden die in deutscher Sprache gesendete Botschaft kaum vernommen haben, die Gastgeber hingegen sind umso erzürnter, insbesondere natürlich die brandenburgischen: Ministerpräsident Platzeck schäumt („Verunglimpfung“), Innenminister Schönbohm geht an die Decke („unglaubliche Entgleisung“).
Mancher empfindet Heyes Äußerung wie einen ausgeleerten Mülleimer inmitten des doch gerade frisch renovierten Wohnzimmers, in dem die Welt demnächst zu Gast bei Freunden sein soll. Bei netten Freunden! Die rechtsradikale Verwandtschaft in der Provinz verschweigt man lieber – innerfamiliäre Auseinandersetzungen doch bitte nicht vor den Gästen! Und schon prügelt sich die ganze Familie und kein Hellinger in Sicht, der Ordnung in das neurotische Chaos brächte.
Wenn Deutsche ins Ausland reisen, erkundigen sie sich vorher beim Auswärtigen Amt über mögliche Gefahren. In Frankreich zum Beispiel sollte man nicht auf Autobahnrastplätzen übernachten, denn es drohen nächtliche Überfälle organisierter Banden. In bestimmten Teilen Kroatiens besteht erhebliche Gefährdung durch Landminen, in Spanien durch Anschläge der ETA. In Australien sollte man bestimmte Gewässer meiden, weil es dort von Krokodilen wimmelt, in Ghana drohen gelegentliche Stammeskonflikte die Sicherheitslage zu destabilisieren.
Und in Brandenburg ist es in der Tat so, dass es in gewissen kleineren und mittleren Städten gefährlich werden kann für Menschen, die eine andere Hautfarbe haben oder sonst wie „anders“ sind. Das liegt zum einen daran, dass es dort einen vergleichsweise hohen Prozentsatz von Jugendlichen gibt, die den gesellschaftlichen Anschluss verloren haben, zum anderen daran, dass sich der Staat aus diesen Regionen immer mehr zurückzieht: Polizeipräsidium geöffnet dienstags zwischen 14 und 16 Uhr. Es gibt sie wirklich, die No-Go-Areas und „Angsträume“ – Balkone, die zu betreten mit erheblichen Risiken für Leib und Leben verbunden ist.
Dem Besuch darf man dieses Malheur ruhig selbstbewusst anvertrauen. Vor allem, weil die große Familienfeier eigentlich im prächtig geschmückten Wohnzimmer stattfindet und der Gast kaum Zeit finden wird, hinaus auf den Balkon zu gehen.