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Archiv-Artikel

Abgeordnete hören viel und ändern wenig

In einer historisch einmaligen Mammutanhörung dürfen 100 Gutachter über die geplante Föderalismusreform reden. Obwohl einige Punkte allgemein als unsinnig gelten, bleibt den Volksvertretern kaum Spielraum für Änderungen

BERLIN taz ■ Es mutet an wie ein Volkshochschulkurs im Bundestag. Oder wie eine riesengroße Staatsrechtsvorlesung für interessierte Bürger. Ab heute 9 Uhr ist der Plenarsaal des Bundestages erstmals Schauplatz einer Anhörung. Über 100 Gutachter sollen den Mitgliedern der beiden Gesetzgebungskammern Bundestag und Bundesrat Tipps geben, wie sie sich künftig weniger blockieren können. Nur hat das Schaulaufen der Schlauberger einen Schönheitsfehler: Der Spielraum für Korrekturen an der größten Verfassungsänderung seit 1949 ist minimal. Die Reformbefürworter im Regierungslager fordern die möglichst änderungsfreie Verabschiedung der Föderalismusreform „noch vor der Sommerpause“. Das Motto der Unionsstrategen: Viel Anhörung – keine Änderung.

Zwar hat erstmals ein Ministerpräsident der Union zugestanden, dass es überhaupt noch Änderungen an der Föderalismusreform geben könne. Zum geplanten Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern sagte Saarlands Landeschef Peter Müller (CDU): „Es ist nicht einzusehen, warum den Ländern verboten werden soll, Geld anzunehmen, das ihnen der Bund für die Verbesserung ihrer Bildungseinrichtungen geben will.“ Allerdings rührt das die anderen Landesfürsten nicht. Sie bleiben bei der Neuordnung der Zuständigkeiten, wie sie 2003 zwischen dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) und dem damaligen SPD-Chef Franz Müntefering vereinbart wurde – ganz egal, wie die Experten ab heute darüber urteilen.

Kritik wird es reichlich geben. In der Bildung, weil neben dem so genannten finanziellen Kooperationsverbot auch das sinnvolle Zusammenwirken bei Hochschulbau und -zugang sowie in der Bildungsplanung unterbunden werden soll. Bei der Besoldung wird befürchtet, dass die Länder kraft ihrer neuen Beamtenrechtshoheit bald mit dem gegenseitigen Abwerben der Spitzenkräfte beginnen werden. In der Umwelt gehen sogar CSU-Leute davon aus, dass die Investitionen durch einen Flickenteppich an Länderbestimmungen komplizierter werden. Und im Strafvollzug meinen viele, dass das Land vor einem „Wettbewerb nach unten“ bei der Resozialisierung stehe.

So sehen Parlamentarier den Anhörungsmarathon, der sich bis 2. Juni hinziehen wird, mit gemischten Gefühlen. „Wir sollten aufpassen, dass durch die Mammutinszenierung vieler Anhörungen nicht die berechtigte Kritik im Detail plattgemacht wird“, sagte etwa die Vorsitzendes des Bildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD). Burchardt gehört wie etwa auch FDP-Fraktionsvize Cornelia Pieper zu jenen im Bundestag, die eine Komplettverschiebung der Bildungskompetenzen an die Länder ablehnen.

Spannend könnte die Föderalismusreform wegen des Verbots für den Bund werden, den Ländern mit Finanzspritzen für die Bildung zu helfen. Der Vater dieser von vielen Gutachtern als irrwitzig empfundenen Regelung ist Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Um die Lex Koch wieder loszuwerden, bräuchte es ein 16:0-Votum der Länderfürsten. Das erscheint ebenso unwahrscheinlich wie ein Nachgeben der Reformkritiker im Bundestag. Vielleicht endet die Debatte ja auch so: Viel Anhörung – keine Entscheidung.CHRISTIAN FÜLLER

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