: „Nachhaltigkeit für den Mainstream“
Ob Chiquita oder Kraft Foods: Lebensmittelkonzerne entdecken Ökologie und soziale Gerechtigkeit als Marktstrategie. Rainforest Alliance vergibt ein entsprechendes Siegel. Direktorin Tensie Whelan verteidigt es gegenüber Kritikern
INTERVIEW ANNA DOBELMANN
taz: Tensie Whelan, Chiquita-Bananen tragen das Zertifikat der Rainforest Alliance. Dennoch gibt es Vorwürfe, der Konzern nehme es nicht immer so genau mit Umwelt- und Sozialstandards. Missbraucht Chiquita Sie, um sich reinzuwaschen?
Tensie Whelan: Wir zertifizieren nicht die Unternehmen, sondern nur die Plantagen oder Farmen. Konzerne dürfen unsere Zertifikate benutzen, wenn sie von diesen Farmen ihre Produkte beziehen. So handhaben es auch die Fair-Trade-Label. Eigentlich arbeiten wir doch alle auf dasselbe Ziel hin.
Umwelt- und Fair-Trade-Organisationen kritisieren, dass die Messlatte der Rainforest Alliance nicht sehr hoch liegt.
Wir sind kein Biosiegel. Aber wir setzen uns für den Umweltschutz ein und garantieren soziale Standards wie das Recht auf gewerkschaftliche Organisation, Gesundheitsvorsorge und Löhne, von denen die Bauern leben können.
Im Unterschied zu Fair-Trade-Organisationen bekommen unsere Bauern allerdings keine festen Preise für ihre Produkte. Unser Ziel ist Nachhaltigkeit für den Mainstream. Mit unseren Kriterien können viele Unternehmen zertifizierte Produkte vertreiben.
Auf den zertifizierten Plantagen dürfen Pestizide eingesetzt werden.
Ja, das stimmt, nicht aber die giftigsten. Die zertifizierten Farmen benutzen Pestizide kontrolliert. Uns geht es darum, den Einsatz von Pestiziden auf ein Minimum zu reduzieren.
Ohne feste Abnahmepreise gibt es doch keine Schranke gegen Ausbeutung. Was soll daran sozial sein?
Die Bauern bekommen zwar keine festen, aber doch Premiumpreise – und damit mehr Geld als bisher. Außerdem sichern unsere Kontrollen Schulbildung für die Kinder und das Recht auf gewerkschaftliche Organisation.
Sind Sie sicher, dass Ihre Kontrollen richtig funktionieren? Die zertifizierte Favorita Fruit Company in Ecuador hat Arbeiter entlassen, die sich gewerkschaftlich engagierten.
Dieses Beispiel kenne ich nicht; eigentlich ist Favorita derzeit unser bestes Unternehmen in Ecuador. Bei den Kontrollen arbeiten wir stets mit lokalen Nichtregierungsorganisationen zusammen, die die Zertifizierung durchführen. Es ist also kein Europäer oder US-Amerikaner, der mit erhobenem Zeigefinger die Standards einfordert.
Wie wählen Sie diese Organisationen aus?
Meistens arbeiten wir mit ihnen schon lange zusammen. Sie müssen über Erfahrung auf dem Gebiet und ausgebildete Biologen verfügen. Farmen müssen unsere Vorbedingungen erfüllen, dann beginnt der Zertifizierungsprozess. Innerhalb von drei Jahren müssen sie sich den restlichen Standards anpassen. 200 Indikatoren werden dabei untersucht. Wir kontrollieren regelmäßig und tauchen auch überraschend auf. Verletzt jemand die Standards zu oft, wird das Zertifikat entzogen.
Lässt sich mit dem schlechten Gewissen der Konsumenten Profit machen?
Es gibt eine kleine, aber wachsende Nachfrage nach ökologischen und fair gehandelten Produkten. Ein Großteil der Verbraucher schert sich jedoch überhaupt nicht darum, wo ihr Essen oder das Holz ihrer Möbel herkommt. Das Bewusstsein muss erst noch geweckt werden. Und dabei setzen wir auf die Konzerne, die durch ihr Angebot an zertifizierten Produkten die Nachfrage erst schaffen.