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Archiv-Artikel

„Der SPD steht das nicht gut zu Gesicht“

Der SPD-Sozialexperte Karl Lauterbach meint, das Elterngeld sei in Zeiten von Kinderarmut nicht zu vertreten

taz: Herr Lauterbach, die Einführung des Elterngeldes würde arme Familien bis zu 3.600 Euro kosten. Wie rechtfertigt die SPD das?

Karl Lauterbach: Ich persönlich halte das für problematisch. Hier werden einkommensstarke Eltern gefördert, während sich einkommensschwache Familien verschlechtern – und das in Zeiten zunehmender Kinderarmut in Deutschland. Das ist nicht zu begründen.

Familien, die von Hartz IV leben, bekommen derzeit 24 Monate lang 300 Euro Erziehungsgeld. Beim Elterngeld sollen sie auch 300 Euro bekommen – aber nur zwölf bis 14 Monate. Was sollen solche Familien machen?

Wie gesagt: Ich finde, dass das einer sozialdemokratischen Partei nicht gut zu Gesicht steht. Diese Familien verschlechtern sich, da muss noch eine Lösung gefunden werden.

Die SPD wird also auf ihre Stimme verzichten müssen?

Mein Abstimmungsverhalten hängt von der Gesamtlösung ab, und darüber muss noch verhandelt werden.

Diese Woche ging es viel um Papamonate und ob es ins versteinerte Familienbild mancher Unionswähler passt, wenn die Väter die Kinder betreuen. Hätte die SPD nicht zeitgleich eine Diskussion über die Auswirkungen des Elterngeldes auf arme Familien anstoßen müssen?

Ich habe in der Vergangenheit immer darauf hingewiesen, wie hart die Folgen eines einkommensabhängiges Elterngeldes sein können. Der Staat vermittelt den Eindruck, dass ihm die Kinder der einkommensstarken Akademikerinnen wichtiger sind. Das ist ein falsches Signal. Es ist auch nicht die Aufgabe des Staates die Kinderquote von Akademikerinnen zu erhöhen. Zudem ist auch die Grundlage falsch: Es ist nicht so, dass 40 Prozent der Akademikerinnen langfristig kinderlos sind. Neuere Studien sehen die Quote ungefähr bei der von Nichtakademikerinnen.

Jetzt konzentriert sich die SPD darauf, Arbeitslosengeld-II-Empfängern die 300 Euro fürs erste Jahr zu retten. Sind Ihre Kollegen da zu weich?

Diese Anrechnung halte ich für völlig indiskutabel. Das Erziehungsgeld soll zu Lasten der Einkommensschwachen gestrichen werden – zugunsten eines Elterngeldes, das den Privilegierten der Gesellschaft hilft.

INTERVIEW: GEORG LÖWISCH