REICHENSTEUER: STEHT DER SPD EINE GRÄSSLICHE NIEDERLAGE BEVOR? : Kleine Gerechtigkeit auf Eis
Das politische Alltagsgedächtnis ist kurz. Aber es erinnern sich hoffentlich noch alle, dass der SPD-Chef Kurt Beck gestern damit in die Schlagzeilen geriet, dass er mehr Steuern für einen starken Staat verlangte? Am selben gestrigen Tag sickerte aus Koalitions- und Ministeriumskreisen durch: Wir haben ein Problem mit der Reichensteuer. Das klappt nicht, rein rechtlich. Jedenfalls nicht, wie versprochen, zu 2007.
Die Reichensteuer, nur zur Gedächtnisauffrischung, das war das erste Zugeständnis Gerhard Schröders an seine gequälte Partei im Wahlkampf des vergangenen Jahres. Das war der Sieg nicht nur der SPD-Linken über die Steuern-runter-Ideologie von Rot-Grün. Das war das Eingeständnis, dass der Staat in den vergangenen Jahren die Bestverdiener zu sehr begünstigt hat. Und das war der Erfolg der SPD in den Koalitionsverhandlungen. Für wie groß man diesen hält, hängt davon ab, wie man den Symbolwert gewichtet. Denn einbringen wird diese Steuer nur einen Bruchteil dessen, was die allgemeine Senkung des Spitzensteuersatzes kostete.
Doch nun meinen Finanzexperten zu wissen, dass ein Steuerzuschlag von drei Prozent für Spitzenverdiener mit über 250.000 Euro im Jahr zwar machbar – aber nur schwerlich mit einer Bedingung zu vereinbaren ist, die die Union in den Koalitionsvertrag hineinverhandelte. Demnach sollen bis zur Unternehmensteuerreform 2008 die gewerblichen Einkünfte herausgelassen werden, aus denen die meisten Best-Einkommen resultieren. Welchen Weg Finanzminister Peer Steinbrück aus diesem Knäuel finden will, ist vorläufig sein Geheimnis. Möglicherweise aber müssen entweder die gewerblichen Einkünfte erst einmal besteuert werden – oder das ganze Projekt wird auf Eis gelegt.
Ersteres wäre ein beträchtlicher Gesichtsverlust für die Union, Letzteres jedoch eine grässliche Niederlage für die SPD. Die Parteioberen könnten sich im vierten Anlauf für ein neues Parteiprogramm innerhalb von sechs Jahren gleich wieder hinsetzen: Wessen bescheidenste Pläne so früh im Praxistest hängen bleiben, braucht auch keine großen Worte zu schwingen. ULRIKE WINKELMANN