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Archiv-Artikel

Baranowski vs. Bauer

Zeitungskampf im Pott: Der Verleger der „Buerschen Zeitung“ will Gelsenkirchens Oberbürgermeister verklagen. Er soll sein taz-Interview widerrufen. Derweil formiert sich Protest gegen Zeitungssterben

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Der Marler Zeitungsverleger Kurt Bauer will Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski verklagen. Nach Bauers Ansage, die Buersche Zeitung (BZ) in Gelsenkirchen zu schließen, witterte der SPD-Politiker eine Absprache unter Verlegern: „Die Vermutung liegt nahe, dass sich die Verleger das Ruhrgebiet aufgeteilt haben“, so Baranowski Anfang der Woche zur taz. Zwar könne er dies nicht beweisen. Aber die Schließung der Buerschen Zeitung sei wirtschaftlich nicht zu erklären. Diese Aussagen will Bauer nun umgehend zurückgenommen wissen. Andernfalls, lässt der Verleger über seine Anwälte mitteilen, drohe Baranowski eine Konventionalstrafe von 25.000 Euro.

Vor zwei Wochen hatte Bauer angekündigt, seine Gelsenkirchener Stadtteilzeitung am 30. September einzustellen. Damit würde schon die zweite Gelsenkirchener Zeitung binnen kurzer Zeit wegbrechen. Ende März hatten bereits die Ruhr Nachrichten (RN) drei ihrer Lokalredaktionen geschlossen, auch ihren Ableger in Gelsenkirchen. Die Folge des Rückzugs: Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), die größte Zeitung im Revier, kann ihr Monopol im Pott weiter ausbauen. In Gladbeck und Bottrop ist sie nach dem Aus der RN bereits alleine am Ort. In Gelsenkirchen steht nur noch die BZ im Weg.

Baranowski will weder seine Aussagen widerrufen, noch die von Bauer geforderten Anwaltskosten in Höhe von rund 1.300 Euro begleichen. „Es wird wohl noch erlaubt sein, Fragen zu stellen“, sagt der Gelsenkirchener OB. Wenn man das nicht mehr dürfe, werfe das neue Fragen auf. Bezug nehmend auf sein Recht der freien Meinungsäußerung hat Baranowski die Angelegenheit seinem Anwalt übergeben. Verleger Bauer hat sich bislang nicht zur Sache geäußert.

In Gelsenkirchen formiert sich derweil heftiger Widerstand gegen das Zeitungssterben. Bei einer Podiumsdiskussion zur Schließung der BZ versammelten sich am Mittwochabend rund 200 Menschen im Stadtteil Buer. Und wieder wurde über eine von langer Hand geplante Einstellung spekuliert. „Wir haben hier Auffälligkeiten“, sagte der Dortmunder Medienexperte Horst Röper. Zwar sei die Auflage der BZ in der Vergangenheit zurückgegangen. Aber man habe offenbar auch nicht viel unternommen, sie wieder zu steigern. „Es gibt eine Reihe von Indizien, dass sich das Marktverhalten bei der BZ anders abgespielt hat als bei anderen Verlagen“, so Röper. Der Medienexperte will Klarheit: In einem ersten Schritt solle man das Kartellamt informieren.

Ob die Auflage gesunken ist, steht aber noch zur Frage: Laut einem Besucher der Diskussion hat die BZ in den vergangenen drei Wochen rund 1.000 Abos dazu gewonnen, ihre Auflage also auf 9.000 Exemplare erhöht. Was Röper ebenfalls stutzen lässt: „1.000 Abos – das müsste selbst einen Jungverleger dazu bringen, weiter zu machen.“

Für die Menschen vor Ort wäre die drohende Einstellung ein herber Verlust. „Gerade die Zeitung, die sich hier Mühe gibt, soll eingestellt werden“, sagte ein aufgebrachter Besucher. Eine andere BZ-Leserin ereiferte sich, die WAZ versuche bereits, BZ-Abonnenten telefonisch ein Abo anzudrehen – „zu einem günstigeren Preis“. Und Georg Fürböck warnte vor einem Meinungsmonopol: „Wenn es nur noch einen gibt, der das Sagen hat, geht dessen Meinung auch in die Köpfe über“, sagte der NRW-Pressesprecher der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG).

Doch die Gelsenkirchener wollen die drohende Einstellung der Zeitung und den damit einher gehenden Verlust etlicher Arbeitsplätze nicht hinnehmen. Eine Unterschriftensammlung hat bereits begonnen, rund 50 Menschen wollen eine Arbeitsgruppe gründen, um Druck auf Bauer auszuüben. Ob es hilft? Manche bezweifeln das. Und haben daher noch eine andere Idee: Sie wollen die BZ in Eigenregie führen – vielleicht nach dem Modell der taz, als Genossenschaft.