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Archiv-Artikel

Mit den Fluten leben

Landtag und Experten einig: Vor Hochwasser der Elbe ist kein absoluter Schutz möglich. Vorsorge kostet viel Geld

DRESDEN taz ■ Die Elbpegel in Sachsen sinken, die Schadensbilanzen steigen. „Die Stimmung unter den Betroffenen könnte kippen“, warnt André Hahn aus der Sächsischen Schweiz, Abgeordneter der Linkspartei im Sächsischen Landtag. Noch kann niemand eine Größenordnung für den Schaden beziffern. Aber Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), der Hilfesuchende zunächst auf Versicherungen und Aufbaubank-Kredite verwiesen hatte, hat nun ein vages Angebot hinzugefügt: „Jeder, der in existenzielle Not geraten ist, hat Anspruch auf staatliche Hilfe.“

Was das über jetzt beginnende Spendensammlungen hinaus bedeutet, ist offen. SPD-Finanzpolitiker Mario Pecher fordert einen Landeshilfefonds in Höhe von 10 Millionen Euro. Sowohl in Sachsen als auch in Sachsen-Anhalt können Sanierungskosten von der Steuer abgesetzt werden.

In den letzten Tagen hatte Milbradt mit Äußerungen über ein „etwas stärkeres Frühjahrshochwasser“ Empörung ausgelöst. Nun entschuldigte er sich vor dem Landtag „für mögliche Verletzungen“ bei Betroffenen – und rechtfertigte zugleich seine Zurückhaltung: Man dürfe „Sachsen nicht als Katastrophenland zerreden“. Die Sächsische Schweiz hofft auf Touristen. Und unter anderem, weil Verhandlungen mit einem französischen Investor für eine elbnahe Glasfabrik vor dem Abschluss stehen, war in Torgau kein Katastrophenalarm ausgelöst worden.

Die neuerliche Flut offenbart zunehmend, dass die nach der letzten Katastrophe von 2002 vorgeschlagenen 1.600 Einzelmaßnahmen zum Hochwasserschutz bislang nur sehr beschränkt realisiert wurden. Zwar wurden in den dreieinhalb Jahren schon 400 Millionen Euro verbaut, diese reichten aber nur für die Sanierung von 50 Kilometern Deich. Ein Vergleich mit Sachsen-Anhalt, wo erfolgreich 400 Kilometer Deiche verstärkt wurden, wäre aber schief: Zum einen führt der Mittellauf der Elbe dort, anders als in Sachsen, durch flaches Gelände. Zum anderen hat Sachsen, in das 80 Prozent der Fluthilfe-Milliarden flossen, das Geld überwiegend an die Opfer weitergereicht und zur Wiederherstellung der Infrastruktur verwendet. Die wichtigsten technischen Schutzmaßnahmen an den Erzgebirgszuläufen – wie die neue Müglitz-Talsperre Lauenstein – haben ihre Bewährungsprobe jetzt bestanden. Das Elbwasser aber kommt überwiegend aus Tschechien –und mit seiner Höhe muss man leben. MICHAEL BARTSCH