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Archiv-Artikel

Rüttgers zur Sonne . . .

Obwohl Ver.di gegen die Landesregierung streikt, lädt der DGB Ministerpräsident Jürgen Rüttgers zur Mai-Kundgebung ein. Man wolle „gesprächsbereit“ bleiben. NRW-Gewerkschafter gehen auf Distanz

VON MARTIN TEIGELER

Jürgen Rüttgers darf bei der DGB-Mai-Kundgebung in Düsseldorf sprechen. Während die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di seit Wochen gegen die geplante 40-Stunden-Woche in der Landesverwaltung streikt, ruft der Dachverband für den 1. Mai zu einer Kundgebung mit dem CDU-Ministerpräsidenten auf. „Die Einladung ist lange vor dem Streik ausgesprochen worden“, sagte DGB-Landessprecherin Sigrid Wolf gestern der taz. Man wolle „gesprächsbereit“ bleiben, auch wenn die Gewerkschaft der Rüttgers-Regierung kritisch gegenüberstehe. Weitere Hauptredner der Maidemo sind der neue DGB-Landesbezirksvorsitzende Guntram Schneider und der Soziologe Oskar Negt.

„Der Vorsitzende der Arbeiterpartei in NRW bin ich“, hatte Rüttgers nach seinem Wahlsieg 2005 gesagt. Doch mittlerweile hat das arbeitnehmerfreundliche Image des CDU-Landesvorsitzenden gelitten. Erst vor einer Woche demonstrierten 20.000 Regierungsgegner vor dem Düsseldorfer Parlament gegen Kürzungen in der sozialen Infrastruktur und Einschnitte bei den Landesbediensteten. Bei einer Anhörung im Landtag hatte besonders DGB-Landeschef Schneider den Haushaltsentwurf der CDU/FDP-Regierung für das laufende Jahr als unsozial gegeißelt.

Auch im Arbeitskampf mit der Gewerkschaft Ver.di zeigt die schwarz-gelbe Landesregierung bisher kaum Kompromissbereitschaft. Im Gegenteil: Rüttgers‘ Finanzminister Helmut Linssen (CDU) gilt Gewerkschaftern als Hardliner im Kampf um eine Verlängerung der Wochenarbeitszeiten.

„Ich weiß nicht, ob diese Einladung an Rüttgers richtig oder falsch ist“, sagte Ver.di-Sprecher Jörg Verstegen gestern auf Nachfrage. Es sei nicht Sache einer Einzelgewerkschaft, die Einladungspolitik des DGB zu kommentieren. Für die Kundgebungsteilnehmer biete die Düsseldorfer Maiveranstaltung immerhin die Gelegenheit, „Dampf abzulassen und dem Ministerpräsidenten die Meinung zu sagen“ – auch wenn der Streik bis dahin vorbei sein sollte. Ein IG-Metall-Sprecher wollte den Rüttgers-Auftritt überhaupt nicht kommentieren. „Dazu äußern wir uns heute nicht“, hieß es gestern.

Auftritte von NRW-Ministerpräsidenten bei Maikundgebungen sind durchaus üblich. 2001 sprach der damalige SPD-Regierungschef Wolfgang Clement auf der zentralen DGB-Veranstaltung in Wuppertal, am 1. Mai 2005 wurde Nachfolger Peer Steinbrück in Gelsenkirchen von wütenden Arbeitern wegen der Hartz-Reform als „Märchenonkel“ beschimpft und ausgepfiffen. Auch Jürgen Rüttgers hat bereits auf Maikundgebungen der Gewerkschaftsbundes gesprochen. 2004 hielt er – noch als Oppositionsführer – eine Rede vor 100 Zuhörern in Bocholt und lobte die frisch vereinbarte 40-Stunden-Woche im dortigen Siemens-Werk. Doch dass während eines laufenden Arbeitskampfes der Streikgegner von der Gewerkschaft als Kundgebungsredner eingeladen wird, wäre neu.

Entsprechend bitter fallen erste Reaktionen an der Ver.di-Basis aus. „Man fragt sich angesichts dieser Einladung, ob die Vogelgrippe schon auf Menschen übergegriffen hat“, sagt Manfred Evers, Vertrauensleutesprecher und Ver.di-Vertreter beim Oberlandesgericht Düsseldorf. Der Deutsche Gewerkschaftsbund müsse den „Scharfmacher“ Rüttgers wieder ausladen, alles andere wäre für die Streikenden im öffentlichen Dienst ein „Schlag ins Gesicht“.