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Archiv-Artikel

„Es gibt ein technisches Wettrüsten“

Tauschbörsen sind legal, sagt Oliver Moldenhauer von Attac. Er präferiert eine Art Kultur-Flatrate, die auf Geräte und Internetzugänge erhoben würde. Diese würde die Verluste der Künstler mehr als ausgleichen. So könnten sie sich auch besser selbst vermarkten

taz: Herr Moldenhauer, was ist eine Internet-Tauschbörse?

Oliver Moldenhauer: In einer Internet-Tauschbörse sind Millionen von Internet-Nutzern miteinander verbunden und können so die Medien auf ihrer Festplatte tauschen. In so einem Tauschnetz lassen sich Filme und Musik ohne Qualitätsverlust von PC zu PC unbegrenzt reproduzieren und verteilen.

Um die Rechte der Urheber haben sich viele Nutzer von Tauschbörsen nicht geschert. Nun soll es den Tauschbörsen juristisch an den Kragen gehen. Werde ich automatisch kriminell, wenn ich eine Tauschbörse nutze?

Alle Tauschbörsen sind zunächst legal. Rechtswidrig ist es nur, illegale Kopien über die Tauschbörse zu verbreiten. In vielen Fällen werden aber durch den Tausch keine Urheberrechte verletzt, wie bei selbst produzierten Videos oder Musik. Bei Open Source Software wie Linux ist die kostenlose Verbreitung sogar ausdrücklich gewünscht.

Was darf ich als Privatperson noch kopieren und was nicht?

Musik, die legal erworben wurde, darf jeder für den privaten Gebrauch für sich selber und für Freunde kopieren. Die Rechtsprechung geht von bis zu sieben Personen im Freundeskreis aus. Wenn jemand zum Beispiel sein gesamtes CD-Archiv auf die Festplatte übertragen hat, dann darf er es ganz legal für den privaten Kreis kopieren.

Bedeutet das eindeutige Verbot, urherbergeschützte Inhalte über Tauschbörsen anzubieten, das Ende der Tauschbörsen?

Keineswegs, denn es wird immer schwieriger, illegale Tauschvorgänge zu lokalisieren. Es gibt ein technisches Wettrüsten zwischen der Industrie und den Tauschbörsen. Die Tauschbörsen werden rechtlich immer unempfindlicher, weil es keine Zentrale mehr gibt. Napster, der Urahn der Musikbörsen im Internet, war noch auf einen zentralen Computer zur Verwaltung der Tauschaktionen angewiesen. Die Nachfolger wie zum Beispiel emule haben diese Aufgaben auf tausende Computer verteilt. Die neusten Tauschbörsen übertragen alle Daten nur noch verschlüsselt. Hier kann niemand mehr nachvollziehen, welche Daten von wem heruntergeladen werden. Eine Strafverfolgung ist hier gar nicht mehr möglich.

Wem nutzt und wem schadet die Novelle des Urheberrechtes?

Sie nutzt vor allem der Industrie: dazu gehören Rechteverwalter, Plattenlabel und Verlage. Die Künstler und Autoren selbst haben hingegen praktisch wenig davon, weil die Verwertungsrechte der Verlage und Produktionsfirmen gestärkt werden. Auch die Allgemeinheit hat in der Novellierung des Urheberrechtes verloren, weil ein Kopierschutz nicht mehr umgangen werden darf. Damit wird das Recht auf Privatkopien außer Kraft gesetzt.

Was wären die Alternativen zur ständigen Verschärfung des Urheberrechts?

Wir schlagen einen Mittelweg vor, wie er derzeit beim Radio praktiziert wird: Künstler sollen eine angemessene Vergütung bekommen und die Nutzer sollen die Vorteile der neuen Technik einsetzen. Wir treten deshalb für eine Pauschalvergütung ein, wie sie bereit praktiziert wird. Diese Kultur-Flatrate wird auf Geräte und Internetzugänge erhoben. Sie würde pro DSL-Zugang etwa 5 Euro kosten, das würde die Verluste der Künstler mehr als ausgleichen. Über so ein System könnten viele Künstler sich auch viel leichter über das Internet selbst vermarkten.

Die Plattenindustrie wehrt sich gegen eine pauschale Abgabe und spricht von „Sozialismus“.

Genau, so wie wir den Sozialismus seit Jahrzehnten im Radio haben.

INTERVIEW TARIK AHMIA

Auf www.irights.info werden die Konsumentenrechte erläutert