: Gegen strengere Gentech-Etikette
In Brasilien beginnt eine Konferenz zum weltweiten Handel mit Gentech-Produkten. Dabei geht es auch um die Kennzeichnung von manipulierten Lebensmitteln. Die Agrarkonzerne können aber hoffen, dass die Regeln auch weiterhin weich bleiben
AUS PORTO ALEGREGERHARD DILGER
Das elf Jahre lange Tauziehen um den Handel mit gentechnisch manipulierten Produkten geht heute in die vielleicht entscheidende Runde. Delegierte aus 132 Ländern treffen sich bis Freitag im südbrasilianischen Curitiba auf der dritten Vertragsstaatenkonferenz zum Cartagena-Protokoll über Biosicherheit (MOP-3). Gestritten wird um eine schärfere Kennzeichnungspflicht.
Bislang müssen alle grenzüberschreitenden Gentech-Lieferungen den Hinweis tragen: „Kann gentechnisch veränderte Organismen enthalten“ – so schreibt es zumindest das Anfang 2000 verabschiedete und im September 2003 in Kraft getretene Cartagena-Protokoll vor. Mit dieser Gummiklausel können die Gentech-Multis und die großen Getreideexporteure der „Miami-Gruppe“ (USA, Kanada, Australien, Argentinien, Chile und Uruguay) gut leben. Ursprünglich sollte sie nur für eine zweijährige Übergangszeit gelten, danach waren verbindlichere Bestimmungen vorgesehen.
Die meisten Entwicklungsländer und die EU-Staaten möchten diese „Kann“-Bestimmung streichen. Doch dagegen wehrt sich die Gentech-Lobby und schafft als Gegenargument lieber Fakten: 2005 sei die offiziell registrierte Gentech-Anbaufläche in 21 Ländern um 11 Prozent auf 900.000 Quadratkilometer mit einem Marktwert von 5,25 Milliarden Dollar gestiegen, jubelt Clive James vom US-amerikanischen Interessenverband ISAAA. Gensoja mache 60 Prozent dieser Anbaufläche aus.
Über das Ausmaß des Schwarzhandels kann nur spekuliert werden. Eine Ahnung davon vermittelt ein Bericht, den die britische NGO Genewatch und Greenpeace letzte Woche vorstellten: Dort werden 113 Kontaminationsfälle aus 39 Ländern dokumentiert. Auf der MOP-2 im Juni 2005 schlüpften die Unterzeichnerstaaten Brasilien und Neuseeland in die Rolle der Blockierer.
Besonders heikel ist die Schlüsselrolle des jetzigen Gastgeberlandes Brasilien. Die Regierung ist beim Thema Gentechnik nämlich gespalten. Dabei zieht Umweltministerin Marina Silva regelmäßig gegen ihren Kollegen Roberto Rodrigues, den Vertreter des exportorientierten Agrobusiness, den Kürzeren. Wie die Agrarminister der Miami-Gruppe möchte er bei der Kennzeichnungspflicht den Status quo festschreiben. Dann müssten sich die Exporteure auch künftig nicht um aufwändige Trennungsverfahren kümmern.
Präsident Lula da Silva, der schon 2003 den Anbau von Gensoja genehmigte, hat es bisher in typischer Manier vermieden, Position zu beziehen – trotz vehementen Drucks von Kleinbauern, Umweltschützern und Verbraucherverbänden.
Sollte er sich jetzt erneut die Position der Gentechlobby zu eigen machen, käme dies einem „Dolchstoß für die Länder des Südens“ gleich, meint der Greenpeace-Experte Marcelo Furtado. Seine Befürchtung: „Brasilien könnte das Land werden, das das Biosicherheitsprotokoll zu Grabe trägt“.