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Archiv-Artikel

Lucy, der Schrecken der WASG

Die junge Trotzkistin Lucy Redler ist Wortführerin der erfolgreichen Fusionsgegner in der Berliner WASG. Mit ihrer revolutionären Verve lässt sie Oskar Lafontaine blass aussehen

BERLIN taz ■ Wenn sich die Fusionsstrategen von Linkspartei und WASG dieser Tage auf ein gemeinsames Feindbild neben US-Präsident Bush und Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann einigen müssten, wäre Lucy Redler eine heiße Kandidatin für Platz drei. Was wurde ihr schon alles an den Kopf geschleudert: Wortführerin einer linken Politsekte sei sie, mit ihrer Clique habe sie die Berliner WASG unterwandert und aufgestachelt.

Die 26-Jährige sitzt im Vorstand der Hauptstadt-WASG und ist zugleich eine von fünf hauptamtlichen Kadern der „Sozialistischen Alternative Voran“ (SAV), einer trotzkistischen Gruppe, die mit ihren bundesweit 400 Mitgliedern fast bisher nur den unterbeschäftigten Linksextremismus-Referenten des Verfassungsschutzes ein Begriff war.

Es ist der Tag vor der Auszählung. Die vermeintliche Chefsektiererin sitzt in einem Café in Berlin-Mitte, bestellt Cappuccino: „Ich finde diese Zeit politisch wirklich spannend“, sagt sie. „Mitte der 90er-Jahre war es langweilig, da passierte nichts. Jetzt ist so viel im Fluss, so viel Dynamik drin.“ Keine Frage, sie meint das nicht zynisch. In den 90ern erkundete die Schülerin aus einem Kasseler Sozialpädagogen-Elternhaus zwar gerade erst das politische Universum der lokalen Antifa. Heute aber stiehlt sie als Wortführerin der Berliner Fusionsgegner dem mehr als doppelt so alten Oskar Lafontaine die Schau.

Die studierte Sozialökonomin hat alles, was ihr Aufmerksamkeit und Sympathien garantiert in der von grauhaarigen Herren dominierten WASG: Sie ist jung, intelligent, kann reden. Sie ist eine Frau, sieht blendend aus. Und: Sie hat einen Plan.

Gut zehn Jahre ist sie aktive Trotzkistin, hat zahllose Schulungen und Lesekreise besucht – über das Kommunistische Manifest oder den Dialektischen Materialismus. Wenn Redler von ihren Idealen spricht, schrumpft einer wie Lafontaine zum ideologischen Schluffi. Er kämpft für mehr Mitbestimmungsrechte der Arbeiter, sie für die Überführung von Konzernen in Gemeineigentum. Sein Ziel ist die neue Linkspartei, ihres eine revolutionäre Masseninternationale.

Die Gegenseite wirft den SAV-Mitgliedern deshalb vor, sie würden die WASG lediglich als Plattform für die eigenen Ziele benutzen. Nach Jahren bei Attac habe sich die Truppe nun die WASG als Opfer ausgekuckt – zur Freude der Globalisierungsgegner: „Die waren total happy und haben uns auf die Schulter geklopft: Schön, dass es euch gibt!“, versichert Helge Meves, Sekretär der Steuerungsgruppe beider Parteien für die Fusion. Auch Redler war als SAVlerin in einer Hamburger Attac-Gruppe aktiv. Den Unterwanderungsvorwurf weist sie zurück: „Das sind Unterstellungen, die die Berliner WASG ins Zwielicht rücken sollen.“ Jeder wisse, wer die SAVler im Landesverband seien.

Dass sie die Partei kaum für die SAV-Linie begeistern wird, ist Redler klar. Sie streitet erst mal für ein Etappenziel: „Ich setze mich dafür ein, das Projekt bundesweit nach links zu verschieben.“ Was Politsenioren wie Lafontaine empfinden, wenn eine 26-Jährige sie auf Kurs trimmen will? „Ich weiß nicht, was in deren Köpfen vor sich geht“, antwortet Redler. Ihre Miene sagt: Mir doch egal. Es geht um die Revolution. ASTRID GEISLER