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Archiv-Artikel

dvdesk Türkis ist das Gras, rosa die Liebe, blühend der Irrsinn

Eine Welt exquisiter Künstlichkeit erschafft der thailändische Regisseur Wisit Sasanatiengmit „Tears of the Black Tiger“

Im Jahr 2001 lief Wisit Sasanatiengs Eastern-Melodram „Tears of the Black Tiger“ als erster thailändischer Film überhaupt in der prestigeträchtigen Cannes-Reihe „Un certain regard“. Seither ist viel passiert. Als Sieger der Reihe platzierte im Jahr darauf Apichatpong Weerasethakul mit „Blissfully Yours“ das neue Thai-Kino schlagartig auf der Karte des Weltkinos. Mit dem Meisterwerk „Tropical Malady“ gewann er 2004 gar den Großen Preis des Wettbewerbs.

Die einzige Gemeinsamkeit zwischen den letztgenannten und Sasanatiengs Filmen ist neben ihrem mitunter bizarren Humor allerdings die, dass man sie im Ausland sehr viel besser kennt als zu Hause. Mit Weerasethakuls magisch-realistischem Experimentalismus hat der auch als Werbefilmer arbeitende Sasanatieng dagegen wenig zu tun. Seine Bezugspunkte sind nicht Andy Warhol, Tsai Ming-Liang und die Avantgarde, sondern die trashigen Melodramen der thailändischen Filmindustrie der Nachkriegszeit. Seinem „Tears of the Black Tiger“ sieht man das denn auch auf den allerersten Blick an. (Nebenbei gesagt: Gemeinsam mit dem Videokünstler Michael Shaowanasai hat Weerasethakul den seinem sonstigen Werk ganz unähnlichen Film „The Adventures of Iron Pussy“ gedreht, eine schwule Travestie alter Thai-Musicals, die Sasanatieng dann doch nahe kommt.)

Türkis wie das Gras und rosa wie die Liebe ist die bonbonfarbene Welt von „Tears of the Black Tiger“. Es ist, mit anderen Worten, eine Welt exquisiter Künstlichkeit. Jedes einzelne Bild wurde digitalisiert, am Computer farbkorrigiert, das heißt hier: verfälscht – und dann wieder auf Filmmaterial zurückkopiert. Und das alles so, dass man es nicht übersehen kann. Jeder naiven Rezeption stellt sich die Falschfarbigkeit der Bilder resolut in den Weg. Es kommt ein Plot dazu, der kein Klischee des Melodrams auslässt und es, mit jeder Menge kitschigem Pop untermalt, mit dem Thai-Western kreuzt. In actiongesättigter, durch Rückblenden immer wieder unterbrochener Vorwärtsbewegung wird die Geschichte zweier Liebender erzählt, die nicht zueinander finden können. Der Bauernsohn Dam (Chartchai Ngamsan) liebt die Gouverneurstochter Rumpoey (Stella Malucchi), und sie liebt ihn, darf es aber nicht, denn durch widrige Umstände ist er zum Banditen geworden. So steht ihre Hochzeit mit dem Polizisten Kumjorn (Arawat Ruangvuth) unmittelbar bevor.

Wisit Sasanatieng inszeniert seine lächerliche Geschichte mit äußerster Sorgfalt, er hat an dem Film nicht weniger als acht Monate gedreht. Es gibt eine Unzahl grandioser oder jedenfalls hinreichend verrückter Ideen. Herausragend ist eine Duell-Szene in Studiokulissen. Im künstlichen Weizen vor ganz offensichtlich gemaltem dramatischem Naturhintergrund testen Dam und ein konkurrierender Gangster ihre Schussschnelligkeit. Hier wie durchweg bewegt sich der Film auf der rasiermesserscharfen Grenze zwischen Parodie und Pastiche. Kaum einmal verrutscht Sasanatieng seine Übung in Richtung bloßer Übertreibungspointen. Und nie imitiert er in schlichter Manier die Melodramen, die er verehrt. Vielmehr nimmt er sich der Vorbilder liebevoll an, zerlegt sie in ihre Einzelteile und setzt sie, so verfremdet wie wiedererkennbar, zu etwas ganz Neuem zusammen. Ein Verfahren, das man als Dekonstruktion bezeichnen kann. Auf den blühenden Irrsinn des Resultats machen einen freilich Worte allein nicht gefasst.

Es war eine glänzende Idee von Rapid Eye Movies, als größtes Extra ein untertiteltes Special des thailändischen Fernsehens zur Entstehung des dann böse geflopten Films auf die DVD zu packen. Die Macher und Schauspieler sind in trauter Runde versammelt und veranschaulichen detailliert ihr Vorgehen, vom Einsatz der Bildbearbeitungssoftware „Da Vinci“ bis zur Orientierung an den Originalen der 50er-Jahre, aus denen man leider nur sehr kurze Ausschnitte sieht. Die Interviews bestätigen eindrucksvoll, was man dem Film ansieht: die Sorgfalt bis hin zum kleinsten Detail. „Tears of the Black Tiger“ ist, so viel wird man sagen können, genau deshalb ein Film wie kein anderer. EKKEHARD KNÖRER

„Tears of the Black Tiger“ kostet 19,90 Euro und ist über www.rapideyemovies.de zu beziehen