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heine und heinis, herpes und agape von WIGLAF DROSTE

Geburts- und Todestage berühmter Menschen sind Pflichttermine fürs Feuilleton. Entsprechend öde wird die Mischung aus Traditionspflege und Eigenlob betrieben. Wem zum 150. Todestag Heinrich Heines immer noch „Die Loreley“ einfällt, möge besser schweigen. „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“, das dann aber ganz gewiss: Dieses urdeutsche, bräsige Gefühl muss nicht noch breiter getreten werden. Auch die Anfangsverse der „Nachtgedanken“ – „Denk ich an Deutschland in der Nacht, / Dann bin ich um den Schlaf gebracht“ – gehen nicht mehr. Sie sind zu Tode annektiert von händeringenden Schlappenpäpsten wie Hans Küng.

Eine olympische Disziplin ist erfunden worden in Deutschland: die Heine-Wiedergängerei. In diesen Charts überschlägt sich Matthias Matussek, Prototyp des deutschen Flachspülers. Für den Spiegel-Kultur-Ressortleiter Matussek ist Deutschland-gut-Finden Pflicht, also ist Heine Deutschland, und Matussek ist Heine. Es geht eben immer noch ein bisschen billiger, als man vor fünf Minuten noch dachte. Das muss der Fortschritt sein. Heines Urteil über „jenen beschränkten Teutomanismus, der viel von Liebe und Glauben greinte, dessen Liebe aber nichts war als Hass des Fremden und dessen Glaube nur in der Unvernunft bestand“ in die jung&matte „Du bist Deutschland!“-Brülleimerei umzumünzen, das ist schon einen Asbach Matussek wert.

Wolf Biermann ist sowieso seit wenigstens tausend Jahren Heine, wie er auch Dylan, Shakespeare und Oswald Kolle ist. Wie? Oswald Kolle nicht? Biermann, mach hinne, bevor ein anderer zugreift! Zu den Heinis und Heinen zählt ebenfalls Alice Schwarzer, die einmal Paris besuchte und in Düsseldorf Karneval feiert. Auf zwei Weine am Rheine geht immer ein Heine.

So gesehen ist auch Volker Panzer ein Heine oder zumindest ein halber. Nach einer seiner Whiskey-am-Kamin-Sendungen drang der ZDF-Kulturmann auf Willi Winkler ein, ich zitiere wörtlich: „Benjamin Lebert, Sibylle Berg – sind das die neuen Kafkas?“ Kafka oder Heine, ich decke Bein mit Beine, und mit Frau Berg „befreundet“ wollte Volker Panzer dann auch noch sein. Da ich mir genau das nicht vorstellen konnte, fragte ich sie. Ihre Antwort lautete: „Er wollte ficken, ich erstaunlicherweise nicht. So viel zur Freundschaft.“

Ist Harald Schmidt nicht auch irgendwie Heine? Ins Defilee der medialen Rosinenbrötchen passt der haltungsferne Mann prima hinein. Wie Schmidt bei seinem Chef, dem ARD-Vorsitzenden Thomas Gruber, katholisch katzbuckelt und das anschwellende religiöse Getöse aber so was von respektabel findet, macht ihn zu einem heißen Anwärter auf den Heine-Posten. Und den Intendanten zu einem Dante.

Auch Papst Benedikt Ratzinger wäre beinahe ein Heine geworden. Als er im Januar 2006 mit seiner ersten Enzyklika herauskam, wurde sie allgemein als entzückend und schwer humanistisch bejubelt, weil der Papst darin so viel von Agape sprach, der nichterotischen Nächstenliebe. Seltsam klingt Agape, nach Herpes und nach Akne. Für sein nächstes Rundschreiben sei dem Heini dieser Heine anempfohlen: „Unser Gott liebt die Musik, Saitenspiel und Festgesänge; / Doch wie Ferkelgrunzen sind / Ihm zuwider Glockenklänge.“

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