: Rache für die Demütigung
Der türkische Actionfilm „Tal der Wölfe – Irak“ ist ein nationalistisches Machwerk. Dass er US-Soldaten als sadistische Schlächter porträtiert, sorgt mancherorts für Empörung, aber überall für volle Kassen
VON JÜRGEN GOTTSCHLICH UND DANIEL BAX
Seit einem guten Jahr läuft in der Türkei eine Fernsehserie mit dem Titel „Kurtlar Vadisi“ – „Tal der Wölfe“. Diese Serie, in der ein heldenhafter Geheimagent die Mafia bekämpft, lebt von Gewalt und „Vaterlandsliebe“ und ist in der Türkei ein echter Straßenfeger, besonders beliebt bei männlichen Jugendlichen. Hierzulande kann man „Tal der Wölfe“ auch über das türkische Satelliten-TV verfolgen, und ältere Folgen liegen in vielen deutschen Videotheken aus. Weil die Serie ein solcher Erfolg ist, haben die Produzenten nun, mit dem gleichen Personal, einen aufwändigen abendfüllenden Spielfilm gedreht, der an sämtliche niederen Instinkte appelliert, mit denen solche Actionfilme gemeinhin arbeiten: Er ist nationalistisch, chauvinistisch, gewaltverherrlichend und rassistisch in seiner Darstellung der „Bösen“. So weit, so schlicht.
Was westliche Betrachter jedoch irritieren muss, ist der Perspektivwechsel: In „Tal der Wölfe – Irak“ sind die Bösen dieses Mal keine minderwertigen Vietnamesen, die vom Maschinengewehr eines Chuck Norris weggemäht, keine irren Terror-Araber, die von Bruce Willis in die Luft gejagt werden, und auch keine menschenverachtenden deutschen Nazis. Dieses Mal sind es Amerikaner, die als Sadisten und menschenverachtende Nazis porträtiert werden. Der Held ist in „Tal der Wölfe“ dagegen ein türkischer Geheimagent, der ihnen das blutige Handwerk legt.
Das zeitliche Zusammentreffen mit dem jüngsten Karikaturenstreit ist zwar purer Zufall – schließlich konnte bei den Dreharbeiten zu „Kurtlar Vadisi Irak“ zu deutsch, „Das Tal der Wölfe – Irak“ noch niemand absehen, dass eine dänische Zeitung einen Karikaturen-Wettbewerb ausloben würde. Trotzdem wirkt der Film wie eine Antwort auf den Karikaturenstreit. Nur dass der Westen hier seine Antwort nicht durch brüllende Demonstranten und brennende Botschaften erhält, sondern durch einen Film quasi mit seinen eigenen Waffen geschlagen wird. Hier fühlen sich manche offenbar besonders getroffen. Liest man die gestrige Frankfurter Allgemeine Zeitung, deren Autoren förmlich vor Empörung zitterten, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man sich dort den falschen Schuh gleich angezogen hat. „Eine Hasspredigt (gegen den Westen) mit filmischen Mitteln“ nannte ein Leitartikler den Film dort, ganz so, wie mancher arabische Kommentator die Mohammed-Karikaturen als „Hassrede“ des Westens gegen die islamische Welt bezeichnet hat.
Tatsächlich hat der Film aber nichts mit einem vermeintlichen Kampf der Kulturen zu tun. Er ist, wenn man ihn politisch einordnen will, vielmehr eine platte, ziemlich dumme und hemmungslos antiamerikanische Antwort auf Abu Ghraib.
Technisch aufwändig produziert, kommt der Streifen als Heldenstück gegen die barbarischen, amerikanischen, christlichen Besatzer des Irak daher. Aufgehängt ist die Story des Films an einer realen Begebenheit, die sich kurz nach dem Ende der ersten Phase des Irakkriegs ereignete – einige Wochen nachdem die amerikanischen Truppen in Bagdad einmarschiert waren und sich noch als Blitzkriegsieger wähnten. Damals ging eine US-Einheit im Nordirak gegen türkische Soldaten vor, die dort stationiert waren, verhaftete einige türkische Offiziere und führte sie mit einem Sack über dem Kopf ab.
Für diese Schmach gegen die türkische Ehre, die in den Medien des Landes damals große Wellen schlug, nimmt der Film nun Rache. Er bedient damit eine weit verbreitete, antiamerikanische Stimmung: Schon vor einem Jahr erschienen in der Türkei ein Roman, „Der Metall-Sturm“, indem zwei ehemalige Werbetexter (!) einen türkisch-amerikanischen Krieg herbeifantasierten, und damit unverhofft einen Beststeller landeten. Auch der Film bedient nun diese Ressentiments und zeigt das, was man sich in der politischen Wirklichkeit nun mal nicht leisten konnte – die toughen türkischen Geheimagenten zahlen es den fiesen Amis heim.
Dafür wurde, dem Realitätsgehalt zuliebe, alles ins Drehbuch gepackt, was sich die US-Armee und ihre Geheimdienste in der Folge ihres „Kriegs gegen den Terror“ in den letzten Jahren so an Scheußlichkeiten geleistet haben: Folter in irakischen Gefängnissen, willkürliches Bombardement harmloser Hochzeitsgesellschaften, der brutale Häuserkampf in Falludscha mit Napalm sowie die Erschießung von Gefangenen – alles das in eine platte Spielfilmhandlung verwoben, in der zwischen grellem Weiß und dunkelstem Schwarz kein Platz für Zwischentöne bleibt.
In dieses Schema wird auch die Religion gepresst. Als die US-Armee einst in Falludscha einmarschierte, waren im türkischen Fernsehen Bilder zu sehen, wie die amerikanischen Panzer mit Kreuzen behängt in die Stadt einrollten. Und rutschte nicht auch George W.Bush einmal das Wort vom Kreuzzug über die Lippen? Das bildet die Vorlage für die Szenen im Film, in dem der Oberbösewicht vor einem Kruzifix seinem Gott schwört, den Sieg über die Muslime erringen zu wollen.
Eine andere, nicht minder perfide Szene zeigt, wie ein jüdischer Arzt irakischen Opfern die Nieren entnimmt, um sie an Krankenhäuser in New York, London und Tel Aviv zu verschicken. Den Hintergrund dazu bilden womöglich Presseberichte über Organhandel und Transplantationen, zu denen es in Privatkliniken in der Türkei oder in Israel gekommen sein soll.
Klar, dass angesichts solchen Schurken der muslimische Scheich wie eine Art Ghandi erscheint. Bei ihm finden verfolgte Frauen und Kinder Zuflucht, in seinen Predigten verurteilt er Selbstmordattentate. Er vermag sogar, die Hinrichtung westlicher Geiseln durch eine Al-Qaida-Gang zu verhindern.
Zweifellos, der Film ist ein übles Machwerk. Sein erster Zweck ist aber nicht die Propaganda, vielmehr soll er vor allem Unterhaltung bieten und Geld einspielen. Diesen Zweck hat er bereits erfüllt. Obwohl die seriösen Filmkritiker aller großen türkischen Zeitungen ihn durchweg als niveauloses B-Picture eingestuft haben, strömen die Massen in die Kinos, darunter insbesondere männliche Jugendliche aus den Vorstädten und im besten Wehrdienstalter. Und obwohl er mit gut 10 Millionen Dollar der teuerste türkische Film aller Zeiten ist, hat er seine Produktionskosten längst wieder eingespielt.
Kurz nach seiner Premiere in Istanbul lief „Tal der Wölfe – Irak“ auch in etlichen anderen Ländern an, darunter in Deutschland, wo er sich unter vielen türkischen Migranten offenbar großer Beliebtheit erfreut. Der Actionfilm schafft es damit nicht nur in der Türkei, solche Zuschauer und ganze Familien ins Kino zu locken, die dort sonst nie zu sehen sind.
Geholfen hat dabei sicher das Lob, dass der Film von höchster Stelle erhalten hat: „Welch ein schöner Film“ ließ Emine Erdogan, die Frau des türkischen Ministerpräsidenten, nach der Premiere in Istanbul vernehmen.
Bei den US-Streitkräften in Europa sorgt „Tal der Wölfe“ dagegen für besorgtes Stirnrunzeln. Ein Rundschreiben weist die in Europa stationierten GIs sogar an, Kinos zu meiden, in denen der türkische Film läuft.
Dass ausgerechnet ein solch dummer Film zum Kassenschlager wird, ist traurig und mag etliche Leute verstören. Schwer zu erklären ist es aber nicht. Wer gestern die neuen Schreckensbilder aus Abu Ghraib gesehen hat, die via Australien verbreitet wurden, der muss sich nicht wundern, wenn diejenigen, die sich mit den Opfern dieser realen Gewalt identifizieren, auch mal gewinnen wollen – und sei’s auch nur im Kino.